Professorin Dr. Susanne Zank ist Prorektorin für Antidiskriminierung und Chancengerechtigkeit © Universität Köln
  • Von Oliver Lepold
  • 08.01.2025 um 09:23
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Professorin Susanne Zank leitet den Lehrstuhl für Rehabilitationswissenschaftliche Gerontologie an der Universität zu Köln. In einer aktuellen Studie hat sie Einstellungen und Lebensqualität von Über-80-jährigen Menschen erforscht. Pfefferminzia befragte die Wissenschaftlerin zu ihren Erkenntnissen.

Pfefferminzia: Sie beschäftigen sich mit den gesellschaftlichen und individuellen Herausforderungen, die eine alternde Bevölkerung mit sich bringt. Welche Faktoren sind wichtig für hohe Lebensqualität im Alter? 

Susanne Zank: Im Grunde genommen spielt das ganze vorherige Leben eine Rolle, weil Altern ein biografischer Prozess ist. Sie wachen ja nicht eines Tages auf und sind plötzlich alt. Welche Bildung die Menschen genossen haben, welche Berufstätigkeit sie ausgeübt haben und wie sozial sie eingebunden waren ihr Leben lang, das spielt entsprechend auch eine Rolle im hohen Alter. Die Gesundheit ist natürlich ein klassischer Faktor, aber sie ist nicht alles. Wir haben viele Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die trotzdem sagen, dass sie eine subjektiv gute Gesundheit haben und auch eine hohe Lebensqualität. Sehr wichtig sind auch eine finanzielle Ausstattung oberhalb des Existenzminimums und soziale Beziehungen.

Gibt es Unterschiede in der Ruhestandsphase je nach Alter? 

Die Gruppe der 60- bis 70-Jährigen ist in der Regel noch sehr gesund, sehr fit, sie nimmt am gesellschaftlichen Leben teil. Die jüngeren Alten sind deutlich gesünder und engagierter, als das noch vor 20 oder 30 Jahren der Fall war. Das hat sich sehr positiv verändert. Krankheiten nehmen erst jenseits der 80 signifikant zu. Wenn sie in ein Heim müssen oder zu Hause rund um die Uhr gepflegt werden müssen, dann nimmt die Lebensqualität natürlich ab und wird sehr teuer. Es ist der Ehrgeiz der Geriater und Gerontopsychiater, diese Zeit des unerfreulichen Lebens mit hoher Krankheits- und Pflegebelastung zu verhindern beziehungsweise hinauszuzögern 

Bildung und Einkommen spielen eine Rolle für Zufriedenheit und Lebensqualität im Alter. Inwieweit haben sie auch Einfluss auf die Gestaltung in der Ruhestandsphase? 

Sie haben einen deutlichen Einfluss, weil Menschen mit höherem Einkommen und höherer Bildung in der Regel viele Aktivitäten durchführen oder durchgeführt haben. Und das wächst dann sozusagen mit ins Alter hinein. Das bedeutet, wer gut vernetzt ist und viele Freunde hat, startet von einem höheren Niveau. Dieses nimmt dann im Alter langsamer ab als bei einer Vergleichsgruppe, die eher isolierter lebt.

Sie haben eine Studie mit Menschen im sogenannten vierten Alter ab 80 Jahren durchgeführt. Welche neuen Erkenntnisse haben Sie hier gewonnen? 

Eine große Lebenszufriedenheit ist sehr weit verbreitet. Das ist ein sehr positives und wichtiges Ergebnis. Die Zufriedenheit nimmt allerdings bei denjenigen ab, die über 90 Jahre alt sind und bei denjenigen, die im Heim leben. 60 Prozent der Über-80-Jährigen weisen hohe Alltagskompetenz auf, kommen also gut klar. Und 90 Prozent haben zwei Bezugspersonen, sind also zumindest sozial eingebunden. 88 Prozent bezeichnen sich als nicht einsam. Die landläufigen Stereotypen von den alten einsamen und unzufriedenen Menschen konnten wir also widerlegen. Das finde ich sehr wichtig.

Wie weit verbreitet ist Altersarmut und wie hoch ist das Armutsrisiko für Menschen, die heute jung sind? 

Die Armutsrate bei den Hochaltrigen ist erschreckend. Sie liegt bei 22 Prozent bei den Männern und bei den Frauen sogar bei 26 Prozent. Das ist deutlich höher als im Vergleich zur Gesamtbevölkerung. Dort liegt die Armutsrate bei 14,8 Prozent, wobei Armut mit weniger als 1.250 Euro Einkommen im Monat definiert ist. Was die heutige Generation Z betrifft, liegt es auf der Hand, dass sie so früh wie möglich privat vorsorgen müssen, denn sie unterschätzen ihre Lebenserwartung und werden eine geringe Rente bekommen. Wenn ich das meinen Studierenden erzähle, dann schauen die mich immer an, als ob ich verrückt geworden wär. Ich versuche ihnen dann klarzumachen, dass sie auch mit 30 oder 50 Euro anfangen könnten, für ihre Altersvorsorge zu sparen.

Welche Schlüsse würden Sie aus Ihren Forschungen für die Aufgabe von Versicherungen und Versicherungsmaklern ziehen? 

Ich denke, dass weitere gesetzliche Förderungen und Anreize nötig sind und ausgesprochen sinnvoll wären. Wir müssen von der Riester-Förderung wegkommen hin zu anderen, neuen Formaten. Die Krux ist leider immer noch, dass die deutsche Bevölkerung den Aktien gegenüber sehr skeptisch eingestellt ist. Die Branche muss noch klarer machen, dass breite Streuung mit relativ einfachen Mitteln wie einem, zwei oder drei ETFs möglich ist und dass das Risiko so minimiert werden kann. Da ist noch viel Aufklärung nötig.

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Oliver

Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

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