Rechtsanwalt Oliver Ostheim von der Kanzlei Rechtsanwälte für Berufsunfähigkeit. © Pfefferminzia / Canva
  • Von Redaktion
  • 17.12.2024 um 15:00
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Laut GDV wird etwa jeder vierte Arbeitnehmer in seinem Leben berufsunfähig. In der dritten Folge unseres Interview-Spezials sprechen wir mit Oliver Ostheim, Rechtsanwalt in der Kanzlei Ostheim & Klaus, über die konkreten Voraussetzungen für eine Berufsunfähigkeit und was die Betroffenen im Ernstfall beachten müssen.

Pfefferminzia: Wann ist man berufsunfähig? 

Oliver Ostheim: Das hängt natürlich von den Bedingungen der jeweiligen Versicherung ab. Viele Mandanten denken, dass es ausreicht, wenn sie krankgeschrieben sind – also der gelbe Zettel, wie früher – aber das ist nicht der Fall. Um als berufsunfähig zu gelten, muss eine Krankheit vorliegen, die ärztlich festgestellt wird und durch die die berufliche Tätigkeit konkret eingeschränkt ist. In den meisten aktuellen Versicherungsbedingungen sprechen wir von einer Einschränkung von mehr als 50 Prozent über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten. 

Also reicht es nicht, einfach krank zu sein? 

Ostheim: Genau. Es geht um die konkrete Auswirkung auf den Beruf. Wenn jemand beispielsweise als Dachdecker arbeitet und aufgrund von Rückenproblemen nicht mehr auf das Dach klettern kann, liegt eine Berufsunfähigkeit vor. Die körperliche Einschränkung führt dazu, dass er die beruflichen Anforderungen nicht mehr erfüllen kann. 

Worauf beziehen sich die erwähnten 50 Prozent – auf die Zahl der Tätigkeiten oder die Arbeitszeit? 

Ostheim: In der Regel auf die Arbeitszeit. Wenn jemand also eine 40-Stunden-Woche hat und nur noch 20 Stunden arbeiten kann, könnte das bereits als Berufsunfähigkeit gelten, da mehr als 50 Prozent der Arbeitszeit fehlen. 

Grenzen Sie doch bitte mal die Begriffe „Krankheit“, „Arbeitsunfähigkeit“ und „Berufsunfähigkeit“ genau voneinander ab. 

Ostheim: Krankheit ist die Ursache – eine gesundheitliche Beeinträchtigung. Arbeitsunfähigkeit ist dann die Folge, wenn die Krankheit so schwer wiegt, dass jemand seine Arbeit vorübergehend nicht ausführen kann. Aber das bedeutet noch nicht, dass jemand berufsunfähig ist. Das tritt erst ein, wenn die Krankheit die berufliche Tätigkeit dauerhaft einschränkt. Also mag zwar jemand arbeitsunfähig sein, aber nicht zwangsläufig berufsunfähig, wenn er in einem anderen Beruf weiterhin arbeiten könnte. 

Was passiert, wenn jemand nach einer Berufsunfähigkeit wieder gesund wird oder einen anderen Beruf aufnimmt? 

Ostheim: Das kommt tatsächlich vor und hängt stark vom Krankheitsbild ab. Nehmen wir zum Beispiel eine Krebsdiagnose – mit einer guten Behandlung kann man sich erholen und nach ein bis zwei Jahren wieder den ursprünglichen Beruf ausüben. In solchen Fällen würde der Versicherer die Zahlungen einstellen, weil der Versicherungsnehmer wieder arbeiten kann. 

Und was passiert, wenn jemand einen ganz neuen Beruf aufnimmt? 

Ostheim: Das ist eine interessante Frage. Wenn jemand als Krankenschwester arbeitet und dann Gärtnerin wird, muss der Versicherer prüfen, ob der neue Job weiterhin als eine Art Verweisung in den Versicherungsbedingungen gilt. Ein entscheidender Faktor sind die Einkommensverhältnisse. Verdient der Versicherungsnehmer weniger als 80 Prozent des bisherigen Einkommens, kann die Versicherung weiterhin leisten. 

Aber was ist mit der Nachprüfung? 

Ostheim: Das Nachprüfungsrecht des Versicherers ist ein wichtiger Punkt. Es ist vertraglich festgelegt, dass der Versicherer nach einem Leistungsbeginn regelmäßig nachfragt, ob der Versicherte wieder arbeitsfähig ist. In der Praxis passiert das meistens nach 12 bis 18 Monaten, aber es kann auch mal länger dauern, zum Beispiel drei Jahre. In sehr seltenen Fällen wird eine Nachprüfung gar nicht vorgenommen, und das geht dann irgendwann über Jahre hinweg. 

Was passiert eigentlich bei so einer Nachprüfung? 

Ostheim: Der Versicherer sendet in der Regel ein Formular, das der Versicherte ausfüllen muss. Dabei geht es um den aktuellen Gesundheitszustand und mögliche berufliche Veränderungen. In vielen Fällen werden auch ärztliche Unterlagen angefordert, um den aktuellen Stand der Erkrankung zu überprüfen und zu sehen, ob der Versicherte vielleicht wieder mehr als 50 Prozent arbeiten kann. 

Der Versicherte muss also nicht sofort wieder zum Arzt gehen, außer die Versicherung verlangt es? 

Ostheim: Richtig. In den meisten Fällen genügt es, das Formular auszufüllen, und der Versicherer wird dann entscheiden, ob weitere Unterlagen oder eine neue ärztliche Beurteilung notwendig sind.

Das Interview können Sie hier anschauen.


„Krankheit ist die Ursache – Arbeitsunfähigkeit ist die Folge“ von Pfefferminzia auf Vimeo.

>>Zum Teil 2 Fallstricke in der Berufsunfähigkeitsversicherung

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