Eiopa-Chefin Petra Hielkema: Stresstest für Versicherungsbranche mit steigender Inflation und Zinsniveau © Eiopa
  • Von Andreas Harms
  • 18.12.2024 um 12:59
artikel drucken artikel drucken
lesedauer Lesedauer: ca. 02:35 Min

Die europäische Aufsichtsbehörde Eiopa hat die Versicherungsbranche einem Stresstest unterzogen – und zeigt sich mit den Ergebnissen in Bezug auf Kapital und Liquidität recht zufrieden. Ein ganz bestimmtes Verhalten bringt aber Eiopa-Chefin Petra Hielkema auf die Palme.

Ein Stresstest verlief für die europäische Versicherungsbranche recht erfolgreich. Die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (Eiopa) veröffentlichte jetzt die Ergebnisse, von denen sich auch die deutsche Finanzaufsicht Bafin angetan zeigt. Die Studie in englischer Sprache können Sie hier herunterladen.

„Die Ergebnisse des Stresstests zeigen, dass die Versicherungsbranche ihre Verpflichtungen auch unter Stress erfüllen kann“, lobt Julia Wiens, Bafin-Exekutivdirektorin für Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht.

Das Szenario im Stresstest

Worum ging es im Stresstest? Die Eiopa malte ein Szenario an die Wand, in dem sich die geopolitische Lage verschärft. Das sorgt dafür, dass Inflation und Zinsen wieder steigen und die Kapitalmärkte einbrechen. Kreditkonditionen verschlechtern sich für die Wirtschaft und Sorgen über Kreditfähigkeit greifen um sich.

Zusätzlich buttert die Eiopa in dieses ohnehin schon nicht ganz einfache Szenario noch Schwierigkeiten speziell für die Versicherer: Massenstorni, hohe Schadeninflation und sinkende Prämieneinnahmen.

Dieses Umfeld packte die Eiopa in eine Reihe von Schocks und überprüfte dann, wie die Versicherungsbranche in Hinblick auf Kapitaldecke und Liquidität damit klarkommen würde. Teil nahmen 4 Einzelunternehmen und 44 Versicherungsgruppen. Inklusive deren Bestandteile waren es also 132 Einzelunternehmen aus 20 Ländern, die zusammen rund 75 Prozent aller verwalteten Vermögenswerte abdecken. Insgesamt 6,4 Billionen Euro. Für Deutschland am Start waren:

  • Allianz
  • Münchener Rück
  • HDI
  • R+V
  • Debeka
  • Versicherungskammer Bayern
  • Viridium

Die Testteilnehmer mussten das Szenario komplett durchspielen – allerdings auf zwei Arten. Im sogenannten Fixed-Balance-Sheet-Ansatz waren nur bereits eingebettete Managementmaßnahmen erlaubt. Der Handlungsspielraum war damit begrenzt. Im Constrained-Balance-Sheet-Ansatz durften die Teilnehmer zusätzliche Maßnahmen ergreifen – vorausgesetzt, sie waren realistisch und nachvollziehbar. Deshalb sehen die Ergebnisse dort nicht ganz so heftig aus.

Die Solvenzquoten

Doch wie genau sah das aus? Zu Beginn verzeichneten die Teilnehmer im Schnitt eine Solvenzquote von 221,8 Prozent (regulatorisch vorgegeben sind mindestens 100 Prozent). Die fiel im Fixed-Balance-Sheet-Ansatz um satte 100 Prozentpunkte auf 123,3 Prozent. Das hätte dann mehr als 270 Milliarden Euro an Kapital gekostet.

Mit mehr Reaktionsmöglichkeiten (Constrained-Balance-Sheet-Ansatz) wäre die Solvenzquote zwar auch stark gefallen, aber „nur“ auf 139,9 Prozent. In den Augen der Eiopa zeigt das, dass die Managements in der Lage sind, auf schwieriges Umfeld in Wirtschaft und Finanz zu reagieren.

Acht Teilnehmer mit Schwierigkeiten

Doch das ist nur der Durchschnitt. Denn acht Teilnehmer rissen beim strengen Ansatz nach dem Stresstest die regulatorische Kapitalhürde von 100 Prozent. Allerdings hatten sie noch immer genug Geld, um ihren Verpflichtungen gegenüber den Kunden nachzukommen, wie die Eiopa betont. Durften die Managements jedoch reagieren, blieben auch diese acht über der 100-Prozent-Hürde.

Und was waren solche Management-Maßnahmen? In den häufigsten Fällen:

  • Verkauften sie Vermögenswerte
  • Kürzten oder strichen sie Dividenden und
  • Besorgten zusätzliches Kapital
Die Liquidität

Zweiter Punkt nach dem Kapital ist die Liquiditätsdecke. Laut Eiopa verursachte das Stressszenario massive Geldabflüsse von insgesamt 314 Milliarden Euro bei den Probanden. Genau genommen, sorgten die Schadeninflation für höhere Ausgaben und die sinkenden Prämien für geringere Einnahmen.

Nicht alle Versicherer konnten den Abfluss aus Cash-Reserven decken. Manche mussten ihre Vermögenswerte angreifen und Teile davon verkaufen.

Lob und Tadel von der Eiopa

Gleichwohl zeigt sich Eiopa-Chefin Petra Hielkema von den Ergebnissen einigermaßen angetan: „Es ist zwar beruhigend zu sehen, dass die europäischen Versicherer gut aufgestellt sind, um die Folgen einer weiteren Eskalation der geopolitischen Spannungen zu bewältigen. Aber Kapital und Liquidität, auf die die Versicherer zurückgreifen müssten, um solche negativen Schocks zu bewältigen, sind erheblich. Die Ergebnisse unterstreichen daher die Notwendigkeit eines umsichtigen Risikomanagements und einer strengen Beaufsichtigung.“

Doch dann legt sie einen Satz nach, der den Test in ein nicht mehr ganz so günstiges Licht rückt: „Trotz des allgemein positiven Ergebnisses der Übung müssen wir mit einem gewissen Bedauern feststellen, dass die Mehrheit der Teilnehmer weiterhin nicht bereit ist, ihre individuellen Ergebnisse offenzulegen. Was die Transparenz des Stresstests einschränkt.“

Übrigens haben auch die deutschen Teilnehmer die Ergebnisse nicht offengelegt.

autorAutor
Andreas

Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

kommentare

Hinterlasse eine Antwort

Pfefferminzia Logo rgb
Zuletzt hinzugefügt
„Warum sollte KI vor Nachhaltigkeit haltmachen?“
Hoher Energieverbrauch, aber mehr Effizienz

„Warum sollte KI vor Nachhaltigkeit haltmachen?“

„Nutzt die Magie der Kooperation“
Interview-Reihe „Auf dem Weg zum Unternehmer“

„Nutzt die Magie der Kooperation“

„Ich stelle eine echte Verbindung zu meinen Kunden her“
Interview-Reihe „Auf dem Weg zum Unternehmer“

„Ich stelle eine echte Verbindung zu meinen Kunden her“

Skip to content