- Von Barbara Bocks
- 20.12.2024 um 13:53
Versicherer dürfen keine kollektiven bestandsauflösenden Kündigungen aussprechen. Die von einigen Versicherern avisierten Maßnahmen, ganze Versicherungsbestände – oder zumindest große Teile davon – aufzulösen, sind laut eines rechtswissenschaftlichen Gutachtens klar rechtswidrig. Das Gutachten hat der AfW Bundesverband Finanzdienstleistung beauftragt hatte.
Versicherungsmakler siegt gegen Verbraucherschützer
Cold Calls sind auch bei ehemaligen Kunden verboten
Der Verfasser des Gutachtens, Professsor Hans-Peter Schwintowski, war lange Jahre unter anderem Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Verbraucherorganisation „Bund der Versicherten“, Mitglied des Versicherungsbeirats bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (Bafin) und Mitglied der vom Bundesministerium der Justiz eingesetzten Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG-Reformkommission).
Das sind die wichtigsten Punkte des Gutachtens:
1. Zur Rechtswidrigkeit und Missbrauch von Kündigungsrechten: Versicherungsbestände flächendeckend oder große Teile der Bestände aufzulösen, etwa mittels kollektiver Kündigungen, verstößt gegen grundlegende Rechtsprinzipien. Zu diesen zählen das sogenannte Schädigungsverbot (Paragraf 226 BGB) und die Grundsätze von Treu und Glauben (Paragraf 242 BGB). Derartige Maßnahmen stellen einen Missbrauch des Kündigungsrechts dar und sind rechtlich unzulässig.
2. Zu den Pflichten der Bafin zur Intervention: Wenn Versicherer Bestandsübertragungsregelungen (Paragraf 13 VAG) durch Massenkündigungen umgehen, ist das ein klarer Verstoß gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben. Die Bafin ist verpflichtet, gemäß Paragraf 298 Absatz 1 VAG einzuschreiten und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um diese Missstände zu beheben.
Folgen für Makler und Kunden
Für unabhängige Versicherungsvermittler sind diese Massenkündigungen aus Sicht des AfW katastrophal. Sie müssten Kunden erklären, dass Versicherer ihre Versicherungsverträge – trotz Schadensfreiheit und ohne sachlichen Grund – unerwartet gekündigt haben.
Dieses Vorgehen gefährde nicht nur die Kundenbeziehung, sondern schädige massiv das Vertrauen in die gesamte Branche.
Viele Makler würden so gezwungen, in kurzer Zeit einen neuen Versicherungsschutz zu finden. Das brächte für sie und ihre Kunden erhebliche zusätzliche Belastungen und Kosten mit sich. Hinzu komme, dass die Suche nicht immer erfolgreich sein werde.
„Das Vorgehen einzelner Versicherer bringt Vermittler in unmögliche Situationen und hinterlässt Kunden völlig unvorbereitet in einer Lage, in der sie ohne Versicherungsschutz dastehen oder deutlich höhere Prämien zahlen müssen. Die Bafin muss einschreiten, um solche Praktiken sofort zu unterbinden”, stellt Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand des AfW, klar.
Verlust von Wohngebäudeversicherung kann für Kunden haarig werden
Ein weiterer kritischer Punkt, den der AfW hervorhebt, ist die wichtige Bedeutung der Wohngebäudeversicherung für Immobilienfinanzierungen. Kreditinstitute erwarten von ihren Kunden eine gültige Wohngebäudeversicherung, wenn sie Bau- oder Immobilienkredite vergeben, um das finanzierte Objekt abzusichern. Wenn Immobilieneigentümer diese Versicherung verlieren, könne das zu erheblichen Problemen führen.
Wirth ergänzt: „Wenn Banken aufgrund fehlenden Versicherungsschutzes zusätzliche Sicherheiten verlangen oder sogar bestehende Kredite gefährden, entsteht für Immobilienbesitzer eine existenzbedrohende Situation. Das unterstreicht, wie unverantwortlich es ist, durch kollektive Kündigungen den Versicherungsschutz ohne sachlichen Grund zu entziehen.“
Bestände übertragen als Alternative zu Massenkündigungen
Der AfW fordert die Versicherer daher auf, sich strikt an die gesetzlichen Regelungen zu halten. Anstelle von Massenkündigungen könnten Versicherer ihre Bestände gemäß Paragraf 13 VAG übertragen. Dieses Verfahren sorge dafür, dass die Interessen von Versicherern, Versicherten und Maklern berücksichtigt werde.
Sollten Versicherer dennoch versuchen, Massenkündigungen umzusetzen, drohten rechtliche Konsequenzen. Unwirksame Kündigungen führten dazu, dass die betroffenen Verträge fortbestünden. Zudem könnten Versicherer Schadensersatzansprüche seitens der Versicherten ausgesetzt sein.
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