Wirtschaftswarntag in Berlin: 450 oder über 1.000 Teilnehmer? © picture alliance/dpa | Hannes P Albert
  • Von Andreas Harms
  • 30.01.2025 um 10:05
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Es sollte der große Wachrüttler für die Politik werden. Doch letztendlich zog der Wirtschaftswarntag der Unternehmensverbände nur etwas über tausend Menschen an. Wenn die Veranstalter richtig liegen. Auch der BVK war mit am Start.

Selbst wenn der Verband der Familienunternehmer mit seiner Zahl richtig läge – eine große Sache wäre es dennoch nicht gewesen. Denn er gab die Teilnehmerzahl mit mehr als tausend an. Angesichts dessen, dass etwa 140 Unternehmensverbände (also vor allem: Lobbyverbände) zum Wirtschaftswarntag aufgerufen hatten, ist das überschaubar. Und dann sind da auch noch die Zahlen der Berliner Polizei, die von lediglich 450 Teilnehmern spricht.

Für die Versicherungsbranche war der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) mit dabei, der gleich mal alle seine Mitglieder mit zur Demo aufgerufen hatte.

Die Veranstalter fordern eine Wirtschaftswende in Deutschland. Steuern und Energiepreise sollen sinken, Bürokratie muss weg, und Investitionen sollen wieder anspringen. Der Arbeitsmarkt soll flexibler werden. Sprich: Es soll einfacher werden, Menschen einzustellen und zu entlassen. Alle zehn Punkte finden Sie hier.

Oder anders ausgedrückt: Die Politik soll dafür sorgen, dass die Rezession endet und Deutschland international wirtschaftlich den Anschluss nicht verliert. Als Beispiel könnte der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Stefan Wolf, gelten. Der beteuerte, dass die Unternehmen ja in Deutschland bleiben wollen, dafür aber bessere Rahmenbedingungen bräuchten.

Dabei muss man Ziel und Forderungen der Veranstalter erst einmal gelten lassen. In einer Demokratie darf man nun mal Dinge verlangen.

Und ja, die Arbeitsnebenkosten steigen seit Jahren und belasten Arbeitnehmer und -geber gleichermaßen. Bürokratie ufert aus, und die kalte Progression sorgt dafür, dass die Steuerlast mit dem Gehalt wächst. Das stimmt schon, und es belastet definitiv die Wirtschaft.

Kritik von Marcel Fratzscher

Doch der Wirtschaftswarntag könnte auch eine Maßnahme sein, um von eigenen Fehlern abzulenken. So gab es Kritik vom Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, der der Nachrichtenagentur „Reuters“ sagte: „Die Unternehmensverbände weigern sich, Verantwortung für das eigene Handeln und die eigenen Fehler zu übernehmen.“ Wem an dieser Stelle sofort die Autoindustrie mit ihren Versäumnissen einfällt, der könnte richtig liegen. Laut Fratzscher enthält der Aufruf der Unternehmensverbände zahlreiche richtige Forderungen, aber auch zentrale Schwächen.

Auf Linkedin fasst der Marktbeobachter Stephan von Heymann gewohnt scharfzüngig zusammen: „Letztlich zeigte der Warntag vor allem eines: Die Wirtschaft ist unzufrieden, aber die Mobilisierungskraft der Initiative war begrenzt. Die geringe Teilnehmerzahl lässt Zweifel daran aufkommen, ob der Protest wirklich breite Unterstützung findet – oder ob es nur ein PR-Manöver und Wahlkampfhilfe einzelner Unternehmenslobbys war.“

Am Rande der Aktion in Berlin gab es übrigens eine kleine Gruppe von Gegendemonstranten, wie die „Welt“ berichtet. Die nutzte das gleich mal für satirische Botschaften. „Normale Menschen müssen um diese Zeit arbeiten“, hieß es auf einem Plakat, und auf einem anderen: „Applaus für Eure Arbeit – Grüße aus Monaco“.

Angemeldet war die Gegendemo unter dem Titel: „Zukunft gewinnt man nicht mit ollen Kamellen“. Angemeldet hatte sie laut Polizei der Deutsche Gewerkschaftsbund.

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Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

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