Rentner mit Pillendose: Die hohen Preise für Arzneimittel sind den Kassen ein Dorn im Auge © picture alliance / imageBROKER | Juanma Cuevas
  • Von Andreas Harms
  • 31.01.2025 um 12:40
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Die gesetzliche Krankenversicherung und die soziale Pflegeversicherung stecken in den roten Zahlen. Und das, obwohl die Beiträge steigen. Jetzt legt der Verband der Ersatzkassen ein Maßnahmenpaket vor, wie man die Spirale durchbrechen könnte. Mit speziellem Schwerpunkt auf den Arzneikosten.

Dass die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (SPV) weitergestiegen sind, dürfte inzwischen jeder mitbekommen haben. Nur, wie soll man das bremsen und beide Systeme auf stabile Füße stellen?

Dazu fordert jetzt der Verband der Ersatzkassen (VDEK) eine Stabilitätsoffensive. Die besteht aus Sofortmaßnahmen, vergleichbar mit Erster Hilfe, und Maßnahmen für die Zukunft, also eine Art Gesundheitsprogramm.

Darin schwingt ein zentraler Vorwurf mit: Durch allzu freigiebige Gesetze habe die Politik dafür gesorgt, dass die Preise im Gesundheitswesen stark gestiegen seien, heißt es. Den Krankenkassen habe sie hingegen wichtige Steuerungsinstrumente entzogen. Es gebe schlicht keine Konkurrenz mehr, die die Preise drücken könnte. Zum Beispiel durch Ausschreibungen bei Hilfsmitteln.

Verbandsvorsitzender Uwe Klemens fordert, dass Ausgaben nur noch so stark wachsen dürfen wie die Einnahmen. Rein betriebswirtschaftlich ist das natürlich nachvollziehbar, aber wie soll man das deckeln?

Zunächst soll die GKV die Kosten für versicherungsfremde Leistungen in vollem Umfang zurückbekommen. Dazu zählen Gesundheitskosten für Bürgergeldempfänger, Mutterschutz und Kinderkrankengeld. Allein beim Bürgergeld gibt es laut Klemens eine Finanzierungslücke von 9 bis 10 Milliarden Euro. Der Bund soll die GKV nicht länger als Neben-Staatshaushalt behandeln (wie zum Beispiel auch bei der Krankenhausreform, die zur Hälfte die GKV bezahlen soll). Die Ausgaben für den Transformationsfonds seien aus Steuermitteln zu finanzieren, fordert Klemens, statt sie der GKV und ihren Arbeitgebern aufzubrummen.

Auch bei der Pflegeversicherung soll der Bund (also der Steuerzahler) versicherungsfremde Leistungen erstatten. Außerdem fordert der VDEK einen Finanzausgleich zwischen sozialer und privater Pflegeversicherung (was letzterer so gar nicht schmecken dürfte). Beides zusammen entlastet die Pflegeversicherung angeblich um 6 Milliarden Euro pro Jahr. Hinzu kommen einmalig 5 Milliarden Euro durch zurückgezahlte Zusatzkosten aus der Pandemie.

Um die Ärztekosten zu drücken, soll ein neues Versorgungsmodell her. Zum Beispiel soll es immer eine obligatorische telefonische Ersteinschätzung durch Hausarzt- und Facharztpraxen sowie Telemedizin geben. Zudem sollen GKV und Ärzteschaft ein gemeinsames Online-Terminportal zur schnelleren Terminvergabe aufbauen.

Notfälle dorthin leiten, wo sie hingehören

In der Notfallversorgung will der VDEK die Versicherten besser steuern und orientieren (wahrscheinlich, um nur noch die wirklich nötigen Fälle zu behandeln). Die eigentlich schon beschlossene Reform soll schnell kommen. Zugleich soll man den Rettungsdienst umbauen. Die Rettungsleitstellen soll man stärker konzentrieren (also auch: zusammenschließen) und zu Gesundheitsleitstellen ausbauen. Und die sollen die Versicherten nicht nur ins Krankenhaus vermitteln, sondern auch in die ambulante, akut psychische oder pflegerische Versorgung. Das würde die Notfälle besser dahin verteilen, wo sie hingehören.

Ein großes Bauchschmerzthema sind für den VDEK die stark steigenden Ausgaben für Arzneimittel. Denn was die angeht, will der VDEK die Preise für neue, patentgeschützte Mittel senken. Man könnte auch sagen: Sie will nicht mehr alles zahlen, was die Pharma-Unternehmen verlangen. Klemens: „10 Prozent der abgegebenen Arzneimittel verursachen derzeit 50 Prozent der Ausgaben. Wir brauchen daher Instrumente für faire Arzneimittelpreise. Vorbild könnte das Fair-Pricing-Model sein.“

Maßstab für den Preis wären dann solche Kriterien wie die Kosten für Forschung und Entwicklung (und eben nicht mehr nur die Gewinnvorstellung). Der VDEK zitiert eine Studie der Universität Bremen, wonach die Preise doppelt bis 13-mal (!) so hoch liegen wie nach dem Fair-Pricing-Model. Wie die Anbieter auf einen solchen Eingriff in die Preispolitik reagieren, ist natürlich eine andere Frage.

Und der VDEK plant noch weiteres:

  • Ausnahmslose Nutzenbewertung für Arzneimittel, sogar für sogenannte Orphan Drugs (Arzneimittel für seltene Erkrankungen)
  • Erstattungsbeträge im Rahmen des AMNOG bereits bei Markteintritt. Die Abkürzung steht für Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz, es soll die Preise für neue Arzneimittel auf Basis ihres Zusatznutzens bestimmen.
  • Höhere Herstellerabschläge und Ausbau von Versorgungsverträgen (statt Einschränkung bei Rabattverträgen).

Auch die Krankenhäuser stehen für einen enormen Kostenblock in der GKV. Weshalb es nun auf die Krankenhausreform ankommt, und was sie mit den Kosten macht. Klare Maßnahmen schlägt der Verband hier noch nicht vor. Nur sinngemäß, dass Bund und Länder wirklich die Versorgung in den Mittelpunkt stellen und bedarfsgerecht planen sollen.

Außerdem müsse sich die Politik klar dazu bekennen, dass sie die Kosten des Transformationsfonds aus Steuergeld trägt. Heißt: dass die GDV eben nicht die Hälfte der Krankenhausreform zahlt.

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Andreas Harms

Andreas Harms schreibt seit 2005 als Journalist über Themen aus der Finanzwelt. Seit Januar 2022 ist er Redakteur bei der Pfefferminzia Medien GmbH.

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