- Von Andreas Harms
- 03.02.2025 um 15:01
Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart stellt sich in einem aktuellen Urteil (Aktenzeichen: 2 U 143/23) auf die Seite der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg und gegen die Allianz Leben. Denn es erklärte eine Klausel in den Riester-Verträgen für rechtswidrig, über die der Versicherer den Rentenfaktor hätte kürzen dürfen. Die Verbraucherschützer hatten gegen diese Klausel geklagt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Der Rentenfaktor bestimmt, wie viel Rente ein Kunde je 10.000 Euro angespartem Vermögen garantiert ausgezahlt bekommt (die tatsächliche Rente liegt wegen der Überschussbeteiligung höher). Kürzt der Versicherer den Faktor, ist das mindestens schmerzhaft.
Gegen welche Riester-Anbieter die Verbraucherzentralen gerade kämpfen
Gericht erklärt Rentenfaktor-Klausel in Riester-Rente für unwirksam
Urteil zu gekürzter Riester-Rente der Zurich ist gültig
Andererseits hatte die Allianz in der umstrittenen Klausel zwei wirtschaftliche Variablen genannt, die für sie ins Gewicht fallen: die Lebenserwartung und die Rendite der Kapitalanlagen. Läuft auch nur eines von beidem dauerhaft aus dem Ruder, könnte es schwierig werden, die Rente lebenslang zu zahlen. So sinngemäß das Argument. Und mit der – inzwischen beendeten – Nullzins-Ära waren die Renditen jahrelang definitiv aus dem Ruder gelaufen.
Rentenfaktor von 38,74 Euro auf 30,84 Euro gekürzt
Weshalb die Allianz in solchen Fällen den Rentenfaktor kürzen dürfen wollte. Die entsprechende Klausel hatte sie in fondsgebundenen Riester-Renten zwischen Juni und November 2006 verwendet.
Im konkret beklagten Fall legte die Allianz Leben 2006 für den Rentenfaktor einen Rechnungszins von 2,75 Prozent zugrunde – was einen Rentenfaktor von 38,74 Euro ergeben hätte. Später kürzte sie ihn in zwei Schritten auf 30,84 Euro, nutzte dabei einen Rechnungszins von 1,25 Prozent und berief sich auf die erwähnte Klausel.
Doch dem Gericht war dieses Ansinnen zu einseitig. Die Klausel benachteilige die Verbraucher unangemessen, heißt es. Vor allem fehlte ihm der Zusatz, dass der Versicherer den Rentenfaktor wieder erhöhen muss, sobald sich die Umstände dauerhaft verbessern. „Damit wird das Recht zur Vertragsanpassung einseitig zugunsten des Versicherers ausgestaltet“, teilt das Gericht weiter mit.
Revision am Bundesgerichtshof?
In der ersten Instanz hatte übrigens das Landgericht Stuttgart die Klage der Verbraucherzentrale noch abgewiesen (53 O 214/22). Die war dagegen in Berufung gegangen. Eine frühere Übersicht über weitere Rentenfaktor-Streitigkeiten gibt es hier.
Doch auch die neue Entscheidung könnte noch nicht endgültig sein. „Das Urteil ist ein Etappensieg. Wir gehen davon aus, dass die Gegenseite in Revision gehen wird und der Bundesgerichtshof (BGH) die aufgeworfenen Rechtsfragen verbindlich für die Branche klären wird“, sagt Niels Nauhauser, Abteilungsleiter bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.
Bei der Allianz Leben hält man sich in dem Punkt noch etwas zurück. Man wolle zunächst die Entscheidungsgründe auswerten, um dann zu entscheiden, wie es weitergeht. Auf Anfrage hin bekräftigt der Versicherer seinen bisherigen Standpunkt und teilt mit: „Die von der Verbraucherzentrale angegriffene Regelung stellt eine ausgewogene Regelung dar, die sämtliche Interessen berücksichtigt, einschließlich der Interessen der Versicherten. Unter bestimmten Voraussetzungen ist nach einer Anpassung des Rentenfaktors auch eine Wiederanhebung des Rentenfaktors möglich.“
Die abgesenkten Rentenfaktoren hätten auch unabhängige, aktuarielle Treuhänder geprüft, so die Allianz Leben weiter. Diese hätten bestätigt, dass das nötig und angemessen gewesen sei.
Sollten sich die beiden Kontrahenten also vor dem BGH wiedertreffen, werden Sie es hier erfahren.
0 Kommentare
- anmelden
- registrieren
kommentieren