- Von Barbara Bocks
- 11.02.2025 um 17:19
Die Sozialversicherung steckt in der Kostenkrise und Deutschland hat im internationalen Vergleich sehr hohe Lohnzusatzkosten. Denn nach Belgien liegen wir damit hierzulande an der Spitze.
„Hinter dieser Dynamik der Sozialbeiträge stehen zum einen eine Fehlsteuerung und Fehlanreize in den Bereichen der sozialen Sicherung: der Krankenversicherung, der Pflege und der Rente“, sagt Professor Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft. Diese Aussage trifft er in einem Online-Interview mit dem PKV-Verband. Generell überzeugen ihn deren Anreize für die Ausgaben und die Logik der Einnahmen „nicht wirklich“.
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Zum anderen führt die demografische Alterung laut Hüther dazu, dass es „sukzessive, und jetzt mit großen Schritten, weniger Erwerbspersonen in Relation zu Rentnerinnen und Rentnern gibt“. Wie die Politik auf diese Entwicklung am besten reagieren sollte, dafür nennt der Wirtschaftsexperte zwei Vorschläge:
- Hüther plädiert für eine weitere gesteuerte Zuwanderung, die er als „richtig und wichtig“ einstuft. „Seit dem Fachkräfte-Einwanderungsgesetz vor knapp fünf Jahren ist die gesteuerte Zuwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt jünger, weiblicher, besser gebildet und mit höherer Sprachkompetenz“. Er möchte laut des Interviews außerdem die Arbeitszeiten verlängern. „Wenn bei uns Vollzeit-Erwerbstätige 249 Stunden im Jahr weniger arbeiten als in der Schweiz“, sollte man hierzulande aus seiner Sicht darüber nachdenken.
- Der zweite große Block ist aus seiner Sicht die Sozialversicherung. Der Kostenblock Krankheit und Gesundheit ist aus Hüthers Sicht „besonders auffällig“. „Wir haben mit die höchsten Gesundheitskosten auch im Verhältnis zur gesamtwirtschaftlichen Leistung – sind aber nicht wirklich gesünder oder haben eine höhere Lebenserwartung“.
Seine Schlussfolgerung: „Da gibt es also viel Fehlsteuerung“. Aus Hüthers Sicht ist der Krankenhausbereich auch nach den jüngsten gesetzlichen Reformen weiter reformbedürftig. Daher fehlt aus Hüthers Sicht auch das Budget „für neue Leistungen“ wie etwa das Aufstocken der Mütterrente.
Eine höhere Beitragsbemessungsgrenze mindert Investitionen
Eine höhere Beitragsbemessungsgrenze ist ihm dabei ein Dorn im Auge. Denn: „Erhöht man die Beitragsbemessungsgrenze in der Kranken- und Pflegeversicherung, fehlen Steuereinnahmen. Das mindert Investitionen“.
Das liegt aus Hüthers Sicht daran, dass die höheren Pflichtbeiträge die Steuerbasis schmälern. „Es handelt sich ja um Sonderausgaben im Bereich der Einkommensteuer“, erklärt Hüther. Wenn die Politik das so beschließen würden, würden den Gebietskörperschaften etwa 4,6 Milliarden Euro Steuereinnahmen fehlen, rechnet Hüther vor.
Und das hätte auch Konsequenzen für die öffentlichen Investitionen. Sie seien seit Langem sehr viel niedriger als im Schnitt Europas, beobachtet er: „Das zeigt sich jetzt an den Umkipp-Effekten und der dramatisch schlechten Situation im Bereich der Bahn, des Autobahnnetzes, der Bundeswasserstraßen, der kommunalen Straßen und der Landesstraßen“. „Wenn wir jetzt noch zusätzlich die Einnahmenbasis verkürzen“, verschärfe sich das Problem zusätzlich, so Hüther.
Was ihn an einer höheren Beitragsbemessungsgrenze noch stört, erklärt er im Folgenden: „Zunächst einmal würde eine Gruppe ganz besonders belastet: nämlich die, die höhere Arbeitseinkommen zwischen der jetzigen Bemessungsgrenze und der dann relevanten Bemessungsgrenze erzielt. Das heißt, da werden Menschen höher belastet, ohne dass sie eine höhere Leistung haben“. „Warum gerade diese Gruppe?“, fragt sich Hüther.
Politisches Handeln wirke nie nachhaltig
Im Interview blickt Hüther auch auf die Historie der Sozialversicherung zurück. „Wenn man die Geschichte der vergangenen 50 Jahre anschaut, haben wir immer wieder in Schüben in die Leistungsbemessung und -ausgestaltung der Sozialversicherungen eingegriffen“.
Die Politik habe beispielsweise einige Versuche unternommen in der gesetzlichen Krankenversicherung die Kosten zu senken. „Das ist immer wieder für Jahre erfolgreich gewesen. Aber nach fünf, sechs, sieben Jahren musste man wieder ran“, so Hüther. Das ist aus seiner Sicht „ein Teil der Leidensgeschichte des politischen Handelns, weil es nie nachhaltig wirkt“.
Aber dass „wir hier an die Ausgaben ranmüssen und die Kosten dämpfen müssen“, das steht für Hüther nicht zur Debatte. „Das ist selbstverständlich“.
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