- Von Lorenz Klein
- 20.06.2019 um 14:43
Viele Versicherungsmakler und -Vertreter in Deutschland mühen sich in ihren Beratungsgesprächen damit ab, ihren Kunden zu erklären, dass sie doch ein bisschen mehr ins Risiko gehen sollten, um im Gegenzug von höheren Renditechancen zu profitieren, damit sie bis zum Rentenbeginn ihr Vermögen auskömmlich mehren können – jedenfalls stärker als, sagen wir, mit einem Tagesgeldkonto.
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Dabei können sich die Vermittler auf die Erkenntnisse renommierter Wissenschaftler stützen. „Garantien kosten, gerade in Niedrigzinszeiten, Renditepotenzial“, sagte Jochen Ruß, Geschäftsführer des Instituts für Finanz- und Aktuarwissenschaften (IfA) aus Ulm, auf dem Pfefferminzia-Zukunftstag im September 2018 in Hamburg. „Ein gewisses Maß an Sicherheit geht auch ohne Garantie“, so Ruß weiter. Etwa über schwankungsdämpfende Bausteine in der Kapitalanlage.
Für die totale Sicherheit zahlten die Menschen „gerne und das meistens zu viel“, meint auch Professor Bernd Ankenbrand, Professor für konstruktivistisches Finanzmanagement.
Und nun das: „Der Tausch mehr Rendite in der Kapitalanlage gegen den Verzicht auf Garantien hat langfristig eklatante Nachteile“, verlautbart der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in einem Beitrag mit dem Titel: „5 Gründe, die für Garantien sprechen“. „Die Garantie ist tot? Von wegen“, so der kämpferische Beginn.
Um nicht missverstanden zu werden: Letztere Aussage dürfte garantiert auch Wissenschaftler Ruß unterschreiben. Der klassische Deckungsstock in der Lebensversicherung sei nicht tot, betonte er fast wortgleich in Hamburg.
Doch beim Studium der „5 Gründe, die für Garantien sprechen“ drängt sich der Eindruck auf, dass der Verband mit seinem Anliegen übers Ziel hinausschießt. Aber der Reihe nach:
„Die Deutschen wollen Sicherheit“, berichtet der GDV unter Grund 1, ganz so, als ob ein sicheres Gefühl der Anleger nur mit Garantien zu erzeugen sei. Selbst die Aussicht auf höhere Renditen bringe die Sparer nicht dazu, stärker ins Risiko zu gehen, heißt es weiter. Dabei verweist der Verband auf verschiedene Umfrage, die dies bezeugten.
So weit so gut. Diese Erkenntnis ist nicht falsch und auch nicht neu. Doch es überrascht dann schon, wie dieser Zustand achselzuckend hingenommen wird. „Die Deutschen ticken einfach so, ihre Vorsicht scheint Teil ihrer DNA“, heißt es dazu lapidar – als sei diese Haltung biologisch festgelegt, folglich auch nicht durch Argumente zu entkräften. Zumal es auch Studien neueren Datums gibt, die insbesondere bei jungen Menschen eine offenere Haltung gegenüber Aktien erkannt zu haben scheinen.
Auch beim Lesen von Grund 2, „Kursschwankungen gefährden Durchhaltevermögen“, bleiben Restzweifel, ob hier wirklich mündige Bürger gemeint sind. „Beim Vermögensaufbau ist Durchhaltevermögen gefragt“, stellt der GDV klar. Viele Sparer könnten aber mit stark schwankenden Kursen von Wertpapieren nicht umgehen, so der Verband, weil sie erst einsteigen, „wenn die Märkte bereits lange gut gelaufen sind und geben schnell entnervt auf, wenn die Kurse einbrechen“.
Es folgt ein Beispiel: Bei zwei renditegleichen Anlageformen halten Anleger am ehesten bei derjenigen durch, die weniger im Kurs schwankt. „Was nützt das Versprechen langfristig höherer Renditen, wenn die Sparer zwischendurch aufgeben?“, schlussfolgert der Verband. Dass Sparer „zwischendurch aufgeben“ ist nun allerdings ein Problem, dass auch die klassische Lebensversicherung betrifft – gut jeder zweite Policeninhaber schafft es bekanntlich nicht ins Ziel und storniert seinen Vertrag vorzeitig.
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