- Von Joachim Haid
- 20.05.2019 um 14:50
Seit Jahrzehnten werden hohe Cholesterinwerte an den Pranger gestellt. Cholesterinsenker (Statine) zählen zu den weltweit am häufigsten verschriebenen Medikamenten. Allein in Deutschland ist der Verbrauch von lipidsenkenden Mitteln von 791 Millionen Tagesdosen im Jahr 2003 auf 1.718 Millionen Tagesdosen im Jahr 2011 angestiegen (siehe Grafik, Quelle Destatis und Iges).
Vom reinen Leistungserbringer zum Gesundheitsmanager des Kunden
Gesunde Ernährung wird Zukunftsthema für alle
Nun gibt es aber ebenfalls seit vielen Jahren Hinweise darauf, dass höhere Cholesterinwerte nicht die primäre Ursache von Arteriosklerose und in der Folge von Herzinfarkt und Schlaganfall sind. Auch ist lange bekannt, dass das meiste Cholesterin vom Körper selbst hergestellt wird und die Ernährung nur einen Anteil von etwa 20 Prozent daran hat. Eine gute Nachricht für alle Eier-Liebhaber? Vor kurzem wurde im „Deutschen Ärzteblatt“ zudem von einer US-amerikanischen Studie berichtet: Sie ergab, dass zu niedrige Cholesterinwerte sogar das Risiko für Hirnblutungen erhöhen könnten.
Gutes Cholesterin, böses Cholesterin
Was aber stimmt denn nun? Ist Cholesterin böse? Ist es gut? Zeit für ein paar Fakten:
- Cholesterin ist nicht pauschal schlecht, sondern sogar überlebenswichtig für den menschlichen Körper. Es ist zum Beispiel notwendig für die Bildung vieler Hormone. Weiterhin ist es relevant für eine optimale Funktion der Zellmembranen.
- Cholesterin verursacht, wie oben bereits erwähnt, per se auch keine Arteriosklerose. Man geht heute davon aus, dass diese durch oxidiertes LDL (Low Density Lipoprotein), welches Entzündungen an den Gefäßwenden auslöst, verursacht wird. Genau genommen ist dafür vermutlich sogar das VLDL (Very Low Density Lipoprotein) verantwortlich. Das LDL ist also relativ harmlos, so lange es nicht oxidiert. Davor schützt ein gesunder Lebensstil, Bewegung ohne Übertreibung und eine gesunde Ernährung mit Antioxidantien und gesunden Fetten.
- Der Cholesterinwert allein ist auch weniger entscheidend. Viel aussagekräftiger ist der Cholesterinquotient, also das Verhältnis vom Gesamtcholesterin zum HDL (High Density Lipoprotein)
Das HDL transportiert Cholesterin von den Zellen zur Leber, wo es abgebaut werden kann. Vereinfacht gesagt, entschärft HDL das LDL. Daher auch die Eselsbrücke für die Bedeutung dieser beiden Fettsäuren: HDL – Hab dich lieb, LDL – lass das lieber.
Unser Körper funktioniert nur im Gleichgewicht optimal. Dieses gibt es auch zwischen LDL und HDL. Deshalb überrascht es auch nicht, dass zu viel oxidiertes LDL ungünstig ist, ebenso wie zu wenig LDL, was die oben genannte Studie erklärt. LDL transportiert Cholesterin von der Leber zu den Körperzellen, also der umgekehrte Weg vom HDL. Diese benötigen es, wie erwähnt, um Hormone wie etwa Östrogen zu bilden und die Zellmembran aufzubauen. Berücksichtigt man diese Zusammenhänge, sind Studien zum Cholesterin trotz unterschiedlicher Erkenntnisse gar nicht mehr so widersprüchlich. Es kommt eben nicht nur auf die Menge des Cholesterins drauf an (Gesamtcholesterin), sondern auch auf die Höhe der LDL- und der HDL-Werte und deren Verhältnis zueinander.
Wird nun bei Antragstellung einer Versicherung nur das Gesamtcholesterin abgefragt, sagt das relativ wenig über die Gesundheit beziehungsweise die Risikoneigung des künftigen Versicherungsnehmers in puncto Herzinfarkt und Schlaganfall aus. Ab bestimmten Versicherungssummen werden deshalb zusätzlich die HDL-, LDL- und die Triglyceridwerte angefragt.
Gesundheitsmanagement statt nur Risikoprüfung
Werden nun ungünstige Werte festgestellt, könnte ein innovativer Versicherer dem Antragsteller Unterstützung anbieten, die Werte in gesunde Bereiche zu verschieben –anstatt eine reine Risikoprüfung mit der Folge von Zuschlägen, Ausschlüssen oder Ablehnung durchzuführen. Bis diese Werte erreicht werden, könnte dem Versicherungsnehmer ein reduzierter Versicherungsschutz angeboten werden. Alternativ voller Schutz mit Zuschlag, dessen Wegfall mit dem Erreichen gesunder Werte – und der Einhaltung dieser für einen bestimmten Zeitraum – gleich zu Versicherungsbeginn festgelegt wird.
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