Anke Lambrecht, Geschäftsführerin von Chorus Solutions © Anke Lambrecht
  • Von Oliver Lepold
  • 15.08.2018 um 10:37
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lesedauer Lesedauer: ca. 02:55 Min

Anke Lambrecht, Geschäftsführerin von Chorus Solutions, berät Unternehmen seit Jahren im Hinblick auf nachhaltige Unternehmensführung, wie beispielsweise das betriebliche Gesundheitsmanagement. Wie können mittelständische Kunden davon profitieren? Pfefferminzia hat nachgefragt.

Pfefferminzia: Was versteht man unter dem betrieblichen Gesundheitsmanagement, kurz BGM?

Anke Lambrecht: In der Praxis gibt es häufig Missverständnisse. BGM ist ein Instrument für die Organisationsentwicklung eines Unternehmens. Insofern ist für die Unternehmen der Begriff „Gesundheit“ irreführend. Bei Gesundheit denken wir meist an gesundes Essen, Sport und Bewegung, einen gesunden Rücken und so weiter. Wenn wir das aber auf ein Unternehmen übertragen, ist es viel mehr als nur Ernährung und Sport der Mitarbeiter. BGM hat das Ziel, Unternehmen widerstandsfähiger, krisenfester und wettbewerbsfähiger zu machen. Es geht auch um die Frage, wann ein Unternehmen gesund ist und wann nicht.

Wie erkennt man ein kränkelndes Unternehmen?

Da gibt es viele Anzeichen. Zum Beispiel die Fehlzeiten, das ist ein klassischer Aufhänger. Dazu gehört auch, dass die Produktivität nicht zufriedenstellend ist, die Kommunikation innerhalb des Unternehmens schleppend verläuft, die Beziehung zwischen Mitarbeitern und Führungskräften nicht mehr harmonisch ist und eine hohe Fluktuation herrscht. Es gibt immer verschiedene Gründe, die im Rahmen eines betrieblichen Gesundheitsmanagements zunächst aufgedeckt werden müssen, bevor es in einem mehrere Phasen umfassenden Prozess dann darum geht, Lösungen zu erarbeiten. Am Ende dieses Prozesses stehen dann konkrete Maßnahmen, die auch an der Unternehmenskultur und den Strukturen ansetzen. Dabei gibt es keine einfachen Ursache-Wirkung-Mechanismen, sondern es entsteht immer ein komplexes Bild. Fehlzeiten haben keine Ursache, die sich per Knopfdruck beheben lässt.

BGM ist also kein punktuell eingesetztes Hilfskonzept?

Nein, es handelt sich um einen langfristigen und kontinuierlichen Prozess, der das gesamte Unternehmen betrifft. Kleine und mittelständische Unternehmen sind sich häufig der Chancen und der Notwendigkeit des BGM gar nicht bewusst. Für kleine Unternehmen mit zehn Mitarbeitern etwa muss man viele Ansätze vereinfachen, denn die Strukturen sind dort ganz anders als bei einem großen Mittelständler. Allen gemein ist aber, dass BGM meist erst dann zur Anwendung kommt, wenn Ziele konstant verfehlt wurden und seit Jahren etwas schiefgelaufen ist. Etwa wenn ein Produktionsbetrieb erheblich unter Fehlzeiten und Langzeiterkrankungen leidet. Oft haben Unternehmenslenker dabei unrealistische Ziele. Eine Fehlzeitenquote von 7 Prozent lässt sich nicht in sechs Monaten auf 3 Prozent reduzieren. BGM ist ein langfristiger und permanenter Prozess, der auf Nachhaltigkeit beruht.

Was hat der Arbeitgeber konkret von einem umgesetzten Gesundheitsmanagement in seinem Betrieb?

 

Die Mitarbeiter sind zufriedener, sie arbeiten produktiver und die Unternehmensziele werden besser erreicht. Zudem werden gesetzliche Vorgaben wie Arbeitsschutz, Unfallverhütung oder Gefährdungsbeurteilung optimal berücksichtigt. Unternehmer bauen wirtschaftliche Vorteile über Produktivität, geringere Fehlzeiten- und geringere Unfallquoten aus und machen ihr Unternehmen gleichzeitig krisensicherer. Dazu gehört auch das Thema Organisationales Lernen, also eine ständige Weiterentwicklung der Unternehmenskultur, um in einem sich ändernden Markt bestehen zu können. Auch demographische Aspekte spielen eine Rolle – etwa das Wissen und die Erfahrung, die in einem Unternehmen stecken, zu verankern und nicht durch die Verrentung von Mitarbeitern zu verlieren.

Können Makler solche Aspekte im Rahmen der Beratung ihrer Gewerbekunden einsetzen?

Ein betriebliches Gesundheitsmanagement, so wie ich es eben geschildert habe, kann ein Versicherungsmakler nicht leisten – es sei denn, er ist zusätzlich ein Experte für die Organisationsentwicklung von Unternehmen. Aber Makler können im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung agieren, etwa wenn sie Gewerbekunden zu einer betrieblichen Krankenversicherung oder zur Altersvorsorge beraten. Hier kann das Unternehmen Gesundheits-Boni an Mitarbeiter ausgeben und zum positiven Klima auf der psychosozialen Ebene beitragen. Firmen-Fitness anzubieten kann gezielt sinnvoll sein, wenn etwa viele Mitarbeiter in einem Produktionsbetrieb Rückenprobleme haben und aus diesem Grund häufiger ausfallen. Aber ein betriebliches Gesundheitsmanagement ersetzen solche Maßnahmen nicht. Aus Maklersicht kann es für die Kundenbindung daher vorteilhaft sein, entsprechende Experten im Netzwerk zu haben und diese bei Bedarf hinzuzuziehen.

Was verhindert die Umsetzung in der Praxis?

Die Unternehmensführung muss voll hinter dem Ansatz stehen. Wenn die Führungsriege nicht direkt eingebunden ist, etwa wenn ein Projektzirkel zuständig ist, wird es schwierig. Es hakt zudem in der Praxis oft daran, dass Begriffe wie Gesundheit und psychische Belastungen in Unternehmen als tabu gelten und nicht zur bestehenden Leistungs- und Führungskultur passen. Im Stil von: „Wir sind doch kein Wellnessbetrieb, um Gesundheit kann man sich gefälligst privat kümmern“. Wenn ich Maßnahmen empfehle, die auch an der Führung ansetzen, etwa um die psychische Belastung der Mitarbeiter zu senken, reagieren manche Unternehmen empfindlich. Das Management hätte gern einfach Lösungen, die nicht auf die DNA des Unternehmens zielen. Aber so funktioniert BGM nicht.

Wenn die Chefetage überzeugt ist, heißt das nicht, dass die Beschäftigten auch mitziehen?

Das ist richtig. Wenn sich Mitarbeiter etwa über Jahre hinweg nicht wertgeschätzt im Unternehmen fühlen, benötigt man Geduld und ganz viel Vertrauensvorschuss von der Führungsebene. Dazu ist Transparenz und Offenheit von Anfang an nötig. Beide Seiten müssen konstant miteinander sprechen, nur so lässt sich stückweise Vertrauen wiederaufbauen.

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Oliver

Oliver Lepold

Oliver Lepold ist Dipl.-Wirtschaftsingenieur und freier Journalist für Themen rund um Finanzberatung und Vermögensverwaltung. Er schreibt regelmäßig für Pfefferminzia und andere Versicherungs- und Kapitalanlage-Medien.

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