Ingo Weber ist Chef und Gründer der Digital Insurance Group mit Sitz in Amsterdam. Die europäische Plattform für das digitale Versicherungsgeschäft ist im Sommer 2017 aus der Fusion des Insurtechs Knip mit dem niederländischen Technologieunternehmen Komparu hervorgegangen. © DIG
  • Von Ingo Weber
  • 22.05.2018 um 09:47
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Die Versicherungsbranche befindet sich seit Jahren im Umbruch. Insurtechs erobern digital Marktanteile und setzen die traditionellen Unternehmen unter Druck. Doch beide Seiten geraten immer mehr an ihre Grenzen. „Zeit für Kooperationen“, meint Ingo Weber, Chef und Gründer der Digital Insurance Group, in seinem Gastbeitrag.

„Digital ist besser“ ist heute ein geflügeltes Wort. In allen Geschäftsbereichen gewinnen Start-ups, die auf computergestützte Kommunikations- und Vertriebswege setzen, an Boden. In der Versicherungsbranche sind es die sogenannten Insurtechs. Sie orientieren sich direkt an den Bedürfnissen der Kunden und wollen ihnen zu einer „Customer Experience“ verhelfen, wie sie es von anderen digitalen Händlern wie Amazon oder Zalando gewohnt sind. Die herkömmlichen Versicherer haben sich mit diesem neuen Ansatz bisher schwer getan. Dabei scheint es immer weniger möglich, über Agenten und Makler insbesondere die jüngere Generation zu erreichen. Die steht aber im Fokus aller Vertriebsanstrengungen.

Laut einer Prognose des Statistischen Bundesamtes sinkt die Einwohnerzahl ab dem Jahr 2020 und wird sich erst 2060 bei etwa 73 Millionen stabilisieren. Bei der derzeitigen Altersentwicklung der Bevölkerung nimmt die Anzahl der jungen und potenziell lukrativsten Kunden dadurch signifikant ab. Der Kampf um ihre Gunst befeuert die Konkurrenz am Markt. Zwar erkennen die etablierten Firmen der Branche, wie notwendig ein Update der Kundenakquise ist, und investieren in ihre digitale Infrastruktur. Zu oft geschieht dies aber nur für die bereits bestehenden Prozesse. Klarer Punktsieg für die jungen Wilden also?

Versicherungen sind keine Schuhe

Ja und nein! Frische Ideen und technologisches Knowhow sprechen für die Insurtechs. Die Kundenähe ermöglicht schnelle Wachstumsraten im Privatkundengeschäft. Transparenz auf der Produktseite und digitale Verfügbarkeit auf allen Geräten machen sie attraktiv für die wachsende Anzahl der sogenannten Digital Natives. Allerdings sind Versicherungen keine Produkte wie Schuhe – sie erfordern umfassende Beratung und Erklärungen. Viele junge Unternehmen kommen da an ihre (auch finanziellen) Grenzen und merken: mit einer App allein ist es nicht getan.

Laut Prognose der Studie Insurtech Radar 2017 wird sich von zehn neuen Start-ups nur eins erfolgreich am Markt behaupten. Hier kommen nun die traditionellen Versicherer wieder ins Spiel. Einerseits verfügen sie über Erfahrung in der Kundenberatung, auch über die entsprechende Manpower, und große Finanzmittel. Darüber hinaus sind sie sehr erfolgreich im Firmenkundengeschäft. Andererseits ist ihr Bedarf an technologischer Innovation und die Bereitschaft, hier zu investieren hoch. Jens Hasselbächer, Vertriebsvorstand bei Axa, fasst dies stellvertretend für den überwiegenden Teil der Branche zusammen: „Neue Marktteilnehmer erhöhen den Druck auf die etablierte Versicherungswirtschaft, und das ist auch gut so. Die Kunden werden davon profitieren. Start-ups und etablierte Versicherer können viel voneinander lernen und aneinander wachsen.“

Potenziale gegenseitig nutzen, gemeinsam erfolgreich sein

Da liegt also was in der Luft. Und in der Tat werden inzwischen vielerorts aus ehemaligen Wettbewerbern Kooperationspartner. Immer mehr Insurtechs gehen eine Finanzpartnerschaft mit großen Banken und Versicherern ein. So arbeitet Wefox mit Ergo, VHV und Barmenia zusammen. Oder Simplesurance mit der Allianz und dem Rückversicherer Munich Re. Von denen wiederum haben bereits einige angekündigt, zweistellige Millionenbeträge in Insurtechs investieren zu wollen. Allein Munich Re soll bereits an über 20 Insur- und Fintechs beteiligt sein. Der bisherige Rekordcoup in Europa: Eine globale Gruppe von Venture-Capital-Unternehmen investiert 2018 über die 24 Millionen Euro in das Berliner Start-up Clark. Damit flossen seit der Gründung 2015 an die 38 Millionen Euro an Kapital in die Kassen die Hauptstädter.

Ein anderer Weg sind Vertriebspartnerschaften. Insurtechs helfen den klassischen Vertretern der Branche beim Sprung in die digitale Zukunft des E-Commerce und erhalten im Gegenzug Kontakte und Zugang zu einer breiteren Kundenklientel, insbesondere im Firmenkundenbereich. Ein Beispiel aus der Praxis: Die DIG unterstützt Versicherer bei der Implementierung von digitalen und mobilen Lösungen. Banken und andere Distributionspartner bieten dagegen ihren Kunden die digitalen Versicherungsservices der DIG an – also eine klassische Win-win-Situation für alle Beteiligten. So verwundert es auch wenig, dass 28 Versicherer, unter anderem Alte Leipziger, Gothaer und Ideal, mit einer Einlage von jeweils 30.000 Euro in Köln und München sogenannte Insurtech-Hubs gegründet haben, um aus der Vernetzung mit Start-ups neue Impulse und frische Ideen für das gemeinsame Geschäft zu ziehen.

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