- Von Redaktion
- 04.02.2020 um 10:17
Pfefferminzia: Zwischen 1994 und 2007 haben viele Kunden Lebens- und Rentenversicherungen abgeschlossen, die fehlerhafte Widerspruchsbelehrungen enthielten. Aufgrund eines Urteils des Bundesgerichtshofs dürfen betroffene Versicherte nun auch viele Jahre nach Abschluss einer solchen Police widersprechen oder den Vertrag widerrufen. Ist das Ihrer Ansicht nach bei Versicherten und Vermittlern ausreichend bekannt?
Udo Glaubach: In dem von Ihnen genannten Zeitraum wurden unzählige Lebens- und Rentenversicherungsverträge geschlossen, die den Kunden überproportional hohe Renditen versprachen. Doch sinkende Zinsen führten zu Verlusten – viele Kunden verloren ihr Geld, das nicht selten den Ruhestand sichern sollte. Der Bundesgerichtshof nahm sich schon vor einigen Jahren dieser Problematik an und hat zugunsten der Versicherten entschieden, dass den Lebens- und Rentenversicherungen zeitlich unbegrenzt widersprochen werden kann, wenn die in den Verträgen verankerte Widerspruchsbelehrung falsch ist.
Wir wissen aus der Praxis, dass noch auf beiden Seiten zu große Informationsdefizite vorherrschen. Bei der Thematik zum Widerspruch befinden wir uns in einem sehr komplexen Rechtsbereich. Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen auch, dass viele Versicherte ohne Anwalt kaum eine Chance haben, ihre Ansprüche durchzusetzen. Hat ein Kunde den Mut, bei seiner Versicherung einen Widerruf zu initiieren, bekommt er nicht selten verwirrende und irreführende Aussagen zur Rechtslage. Das verunsichert und sorgt dafür, dass sich Negativerfahrungen, auch dank der Kommunikation in den sozialen Medien, sehr schnell verbreiten.
Die Möglichkeit des Widerspruchs ist bei den betroffenen Kunden nicht allgemein bekannt und verstanden. Nicht nur bei laufenden Verträgen, sondern auch bei bereits gekündigten oder ausgelaufenen Verträgen bietet sich durch den Widerspruch eine finanzielle Chance für den Kunden.
Wie viele Verträge sind schätzungsweise betroffen?
Peter Paschke: In unserer Branche spricht man davon, dass bis zu 108 Millionen Verträge betroffen sind. Das entspricht einer Population von Millionen von Kunden, die rund 400 Milliarden Euro Versicherungsprämien in Verträge des oben genannten Zeitraums eingezahlt haben. Das Gros dieser Verträge wies fehlerhafte Widerspruchsbelehrungen aus. Herben Enttäuschungen in der Entwicklung eines Lebensversicherungsvertrages und ein dadurch resultierender Schaden können durch die Widerspruchsmöglichkeit und der damit verbundenen Rückabwicklung des Vertrages entgegengewirkt werden.
Welche Vorteile kann es für Kunden haben, einen Vertrag rückabzuwickeln, statt ihn zu kündigen?
Glaubach: Bei einer Kündigung muss der Kunde hohe Abschläge in Kauf nehmen. Er erhält in diesem Fall nur die eingezahlten Beiträge abzüglich der Verwaltungs-, Abschluss- sowie Risikokosten; den sogenannten Rückkaufswert. Dieser ist in der Regel deutlich geringer als die ursprünglich eingezahlten Beträge. Zu kündigen, empfiehlt sich also in der Regel nicht. Ein wesentlich attraktiveres finanzielles Angebot bekommen Vermittler und Kunde bei einem Widerspruch beziehungsweise Rücktritt. Er erhält neben der Summe aller eingezahlten Beiträge, abzüglich der Risikokosten, zuzüglich noch eine Nutzungsentschädigung. Diese variiert je nach realisierten finanziellen Ergebnissen des Versicherers, kann aber oft deutlich über dem Rückkaufswert liegen. Wir bezahlen den Kunden im Voraus auf Basis der Nutzungsentschädigung. Für den Fall einer erfolgreichen rechtlichen Durchsetzung der Ansprüche ist außerdem noch eine weitere Beteiligung für den Kunden möglich. Und davon profitiert dann letztlich auch der Versicherungsvermittler.
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