Gastautor Michael Hoppstädter ist Geschäftsführer des Pensionsberaters Longial, ein Tochterunternehmen des Versicherers Ergo. © Longial
  • Von Redaktion
  • 24.05.2022 um 13:46
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Ein Mitarbeiter hat über seinen vorherigen Arbeitgeber eine individuelle Versorgung abgeschlossen, die er beim neuen Arbeitgeber fortführt. Doch zu Rentenbeginn findet er heraus, dass er mit der betrieblichen Altersversorgung (bAV) der neuen Firma besser gefahren wäre – und will sich die Differenz auszahlen lassen. Ob das erlaubt ist, erklärt Gastautor Michael Hoppstädter anhand eines neuen Urteils.

Bei Versorgungsordnungen zur betrieblichen Altersversogrung (bAV) können die Arbeitsvertragsparteien Zusage und Umfang der betrieblichen Altersversorgung grundsätzlich frei gestalten. Aber wie verhält es sich, wenn ein neuer Mitarbeiter bei seinem Vorarbeitgeber über eine individuelle Versorgung versichert ist – und der neue Arbeitgeber seine betriebliche Altersversorgung kollektiv geregelt hat?

Kurz gesagt: Arbeitnehmer, denen bereits eine individuelle Zusage auf eine betriebliche Altersversorgung erteilt wurde, dürfen von einem kollektiven Versorgungswerk nicht ausgeschlossen werden, wenn ihnen die kollektive Regelung eine individuelle Besserstellung ermöglicht. Das besagt die aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) in seinem Urteil vom 2. Dezember 2021 (3 AZR 123/21).  

Was war geschehen?

Der BAG-Entscheidung lag die Feststellung der Ansprüche eines Arbeitnehmers zugrunde, der 1986 bei einer Kapitalanlagegesellschaft eingestellt wurde. Zeitgleich verhandelte diese gerade eine neue Betriebsvereinbarung zur bAV für Neueinstellungen. Bei seinem Vorarbeitgeber war der Arbeitnehmer über den BVV, Beamtenversicherungsverein des Bankgewerbes a. G., versichert.

Mit dem neuen Arbeitgeber einigte sich der Arbeitnehmer über die Fortsetzung dieser individuellen Versorgung – im Glauben, diese Regelung sei vorteilhafter für ihn. Zugleich wurde er von seinem neuen Arbeitgeber aus der neu verhandelten bAV ausgeschlossen.

Bei seinem Rentenbeginn stellte der Arbeitnehmer jedoch fest, dass die damals abgeschlossene Neuregelung der bAV des neuen Arbeitgebers besser war – und forderte von seinem Arbeitgeber die Zahlung des Differenzbetrags zwischen der Betriebsrente BVV und der bAV nach der neuen Versorgungsordnung. Der neue Arbeitgeber lehnte das ab, es kam zum Rechtsstreit.

Das Urteil

Das BAG gab dem Rentner recht und verwehrte dem Arbeitgeber, sich auf die individuelle Vereinbarung zu stützen. Im Falle einer Betriebsvereinbarung kann ein Ausschluss aus dem kollektiven Versorgungswerk schon allein aufgrund eines unzulässigen Verzichts im Sinne des Paragrafen 77 Absatz 4 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) gemäß Paragraf 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam sein, wenn die Einzelabrede für den betreffenden Arbeitnehmer nicht günstiger ist als die Betriebsvereinbarung.

Handelt es sich bei dem kollektiven Versorgungswerk hingegen um eine Gesamtzusage, darf sich der Arbeitgeber zudem nach Paragraf 242 BGB (Leistung nach Treu und Glauben) in der Regel nicht auf eine ausschließende Vereinbarung berufen. Das BAG sah den Arbeitgeber für diesen Fall in der Pflicht (nach Paragraf 241 Absatz 2 BGB), mit dem Arbeitnehmer die Zusage der betrieblichen Altersversorgung erneut zu erörtern beziehungsweise zu verhandeln und ihm gegebenenfalls einen gleichwertigen Versorgungsschutz wie allen anderen Arbeitnehmern anzubieten.

Fazit und Empfehlungen für Arbeitgeber

Grundsätzlich können die Arbeitsvertragsparteien die Zusage und den Umfang der betrieblichen Altersversorgung frei gestalten. Dementsprechend können Arbeitnehmer, denen bereits eine individuelle Zusage auf eine betriebliche Altersversorgung erteilt wurde, von einem kollektiven Versorgungswerk ausgenommen werden.

Allerdings: Entscheiden sich Arbeitgeber für ein kollektives System der bAV in ihrem Unternehmen, können sie einzelne Arbeitnehmer mit individueller Versorgungszusage nicht von der kollektiv anwendbaren Altersversorgung ausnehmen, wenn die individuelle Versorgungsleistung geringer ausfällt, als die Leistung aus dem kollektiven Versorgungssystem.

Die bAV ist für die wirtschaftliche Absicherung des Versorgungsberechtigten von erheblicher Bedeutung – würde ihn der Ausschluss von dem kollektiven System gravierend benachteiligen, ist das nicht zulässig. Wendet der Arbeitgeber das kollektive System auf alle Beschäftigten an, kann der Arbeitnehmer mit individueller Versorgungszusage demnach nicht ausgeschlossen werden.

Anders gesagt: Der vollständige Ausschluss aus dem Firmenversorgungswerk von Arbeitnehmern, die eine individuelle Versorgungszusage erhalten haben, ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Arbeitnehmer mit individuellen Zusagen im Versorgungsfall eine zumindest annähernd gleichwertige Versorgung bekommen.

Arbeitgeber müssen aufgrund dieses höchstrichterlichen Urteils also damit rechnen, dass Arbeitnehmer, denen bei Diensteintritt eine individuelle Versorgungszusage erteilt wurde und die gleichzeitig aus dem weiteren Versorgungswerk ausgeschlossen wurden, spätestens im Versorgungsfall einen Vergleich der Leistungen der Versorgungswerke verlangen werden – und bei einer Schlechterstellung die Differenz zum Firmenversorgungswerk begehren.

Insofern kann die Empfehlung an Arbeitgeber nur lauten: Bei Einrichtung von kollektiven Versorgungswerken sollten Personen mit Einzelzusagen nicht per se ausgeschlossen werden – vielmehr bietet es sich an, die Leistungen der Einzelzusage auf die Leistungen kollektiven Versorgung anzurechnen. Das schafft von vornherein Transparenz, Rechtssicherheit und Vertrauen.

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