- Von Lorenz Klein
- 30.10.2017 um 15:57
Berufsunfähigkeitsversicherungen (BU) seien nicht sexy, aber für die meisten Menschen „elementar notwendig, wenn sie von ihrer eigenen Hände Arbeit leben müssen“. Nein, den grundsätzlichen Nutzen einer BU-Police zieht Hermann-Josef Tenhagen nicht in Zweifel – wohl aber den Umgang der Versicherer mit der existenziellen Absicherung ihrer Kunden.
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Einige Hunderttausend Menschen fragten jedes Jahr den BU-Schutz nach, müssten dann aber erleben, „dass viele Versicherer ihre schönen Policen zwar eifrig bewerben, sie aber dann nicht herausrücken wollen“, schimpft der Chefredakteur des Verbraucherportals Finanztip in seiner aktuellen Kolumne auf Spiegel Online.
Mit seiner Kritik zielt Tenhagen auf das Annahmeverhalten der Versicherungsbranche ab, die sich maßgeblich an der Auswertung von Gesundheitsfragen orientiert – und das liest sich im Folgenden so:
„Selbst wer einen Vertrag kriegt, muss sich zuvor inquisitorische Fragen zu seiner Gesundheit gefallen lassen. Und wie in der heiligen Inquisition ist der Fragende gleichzeitig Ankläger und Richter – und befindet oft, dass der Kunde nicht den Ansprüchen genügt.“
Oftmals komme der Kunde aber gar nicht erst in die Verlegenheit, Gesundheitsfragen beantworten zu müssen, schreibt Tenhagen. Leute wie Musiker oder Flugbegleiter, die ein vergleichsweise hohes statistisches Risiko haben, berufsunfähig zu werden, „dürfen nicht einmal in die Inquisition“. Es sei „ein echter Kampf, einen solchen Vertrag zu bekommen“, schildert der Kolumnist. Grund hierfür sei unter anderem, dass es schon ausreiche, kurzzeitig therapeutische Hilfe in Anspruch genommen zu haben, um von einer BU ausgeschlossen zu werden.
Harter Kampf um die BU-Rente sei „die Regel“
Selbst die Mitarbeiter der Versicherungen fänden diesen Umgang mit möglichen Kunden eigentlich absurd, befindet der Autor. So hätte die Stiftung Warentest im Jahr 2009 (!) in einem Feldtest herausgefunden, dass Außendienstler von Allianz und Alte Leipziger „in vier von fünf Fällen ihren Kunden rieten, eine ausgeheilte Gastritis beim Versicherungsantrag lieber zu verschweigen“, um den Versicherungsschutz nicht zu gefährden.
Ist diese Hürde genommen und der Vertrag akzeptiert, verweist der Autor allerdings schon auf das nächste Dornengestrüpp, durch das sich der Versicherte schlagen muss. So sei es leider „die Regel“, dass viele hart um ihre BU-Rente kämpfen müssten.
Dazu macht Tenhagen folgende Rechnung auf:
„Jeder Vierte…bekommt nicht den Schutz, den er sucht. Und von den schließlich glücklich Versicherten bekommt erneut jeder Vierte im Fall der Fälle gar kein Geld.“
Letztere, also jene Kunden, die keine Leistungen aus ihrem BU-Vertrag erhalten würden, seien dabei aber nur die „Spitze des Eisbergs“, befindet Tenhagen, denn sehr oft bekämen Kunden gar nicht die Leistung, die ihnen zustehe, sondern würden „mit Krümeln“ abgefunden. „Einer krebskranken Lehrerin werden statt 500 Euro Rente im Monat einmalig 2.000 Euro angeboten. Einem depressiven Schlachter 14.000 Euro“, klagt der Autor – „aber erst, nachdem er den Anwalt eingeschaltet und ein Fernsehteam eingeladen hat“. Dabei könnten bei den 1.200 Euro Monatsrente, auf die der depressive Schlachter Anspruch habe, bis zum Rentenalter von 67 Jahren rund 500.000 Euro zusammenkommen, rechnet Tenhagen vor.
„Besonders perfide“ findet es der Finanztip-Chef zudem, dass manche Versicherer vom Versicherten verlangten, dass dieser im Leistungsfall alle Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden habe. Die Versicherer wendeten diesen „Trick“ offenbar in der Hoffnung an, „irgendeinen Ansatz zu finden, nicht zahlen zu müssen“. Berechtigt sei aber nur das Ansinnen, die Ärzte zu entbinden, die zur konkret in Rede stehenden Berufsunfähigkeit des Kunden Auskünfte geben könnten (BGH IV ZR 121/15), so Tenhagen weiter.
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