- Von Redaktion
- 13.11.2024 um 08:00
Pfefferminzia: Wir haben uns heute das Thema ausgesucht: „Was kann man alles falsch machen bei Berufsunfähigkeit?“. Sehen wir uns mal die fünf größten Fallstricke an. Der erste lautet „falsche Angaben beim Abschluss“. Was kann man denn da alles falsch machen?
Oliver Klaus: So einiges. Viele Versicherungsnehmer denken nicht daran, dass die Versicherung auch die Zeit vor dem Leistungsantrag prüft – oft sogar schon vor dem Vertragsabschluss. Wenn der Vertrag noch nicht älter als zehn Jahre ist, kann die Versicherung sehr genau untersuchen, ob beim Abschluss alle Gesundheitsfragen richtig beantwortet wurden.
Viele vergessen das, weil sie sich nicht an alle Erkrankungen der letzten Jahre erinnern können. Gerade bei etwas harmloseren Erkrankungen, wie etwa einer kurzen depressiven Episode nach einem Verlust, kann es schwierig werden. Wenn ich dann später einen Antrag wegen Berufsunfähigkeit stelle, und diese Episode nicht angegeben habe, kann die Versicherung argumentieren, dass ich sie absichtlich verschwiegen habe. In solchen Fällen kann der Vertrag rückwirkend aufgehoben werden.
Was empfehlen Sie dagegen?
Klaus: Vor dem Antrag bei der Krankenkasse die Gesundheitsdaten der letzten Jahre abfragen. So können wir sicherstellen, dass nichts übersehen wird.
Kann man denn noch etwas korrigieren, wenn die Versicherung tatsächlich auf diesen Punkt aufmerksam wird?
Klaus: Ja, das kann man. Natürlich kann man im Nachhinein noch einiges erklären – etwa, dass die Erkrankung harmlos war oder dass sie mir einfach nicht mehr eingefallen ist. Viel besser ist es jedoch, wenn man die Informationen im Vorfeld prüft und sich darum kümmert, diese Missverständnisse von vornherein zu vermeiden.
Dann kommen wir direkt zum zweiten Punkt: „Mitgebrachte Berufsunfähigkeit“. Wie kann man denn eine BU mitbringen?
Klaus: „Mitgebrachte Berufsunfähigkeit“ bedeutet, dass eine Erkrankung, die jetzt zur Berufsunfähigkeit führt, schon vor Vertragsabschluss bestanden hat, aber vielleicht nicht als solche erkannt wurde. Viele psychische Erkrankungen, zum Beispiel Depressionen oder Burnout, entwickeln sich schleichend und sind oft nicht sofort diagnostiziert. Wenn jemand beispielsweise 2015 einen Vertrag abschließt und 2018 wegen Burnout berufsunfähig wird, könnte es sein, dass diese Probleme schon länger bestanden – auch wenn sie damals noch nicht die volle Intensität erreicht haben.
Es geht also darum, ob die Erkrankung vor Abschluss des Vertrages bereits diagnostiziert wurde oder ob sie erst später ausgebrochen ist. Wenn die Diagnose bereits vor Vertragsabschluss feststand und ich das nicht angegeben habe, kann das zum Problem werden.
Wie genau stellt man sicher, dass man da nichts verschweigt?
Klaus: Das Wichtigste ist, ehrlich und transparent zu sein. Man sollte die eigene Krankengeschichte genau im Blick haben und dem Versicherer gegebenenfalls auch darlegen, ob es Einschränkungen gab, die jedoch noch keine Berufsunfähigkeit zur Folge hatten. Wenn es frühere Arztbesuche gab, die relevant sein könnten, sollte man das offen ansprechen.
Der nächste Punkt, der auch im Leistungsantrag eine Rolle spielt, ist die „Schweigepflichtentbindung“.
Klaus: Sie erlaubt es der Versicherung, Informationen von Ärzten und anderen Behandlern zu erhalten, die für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit wichtig sind. Viele Versicherer bevorzugen eine generelle Schweigepflichtentbindung, bei der sie ohne Rücksprache mit dem Versicherungsnehmer direkt bei Ärzten und Krankenkassen anfragen können. Das kann den Prozess natürlich beschleunigen, aber es birgt auch Risiken.
Als Anwalt rate ich meinen Mandanten oft, eine speziellere Form der Schweigepflichtentbindung zu wählen, bei der wir genau wissen, welche Informationen die Versicherung anfordert. Dadurch können wir besser kontrollieren, was im Hintergrund passiert, und sicherstellen, dass keine unangemessenen Rückschlüsse aus den erhobenen Daten gezogen werden.
Kommen wir zum vierten Punkt: „Die Tätigkeit“.
Klaus: Das ist ein Punkt, den viele unterschätzen. Die genaue Beschreibung der Tätigkeit ist entscheidend für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit. Oft denken die Versicherungsnehmer, dass der Sachbearbeiter der Versicherung schon weiß, was sie beruflich tun. Aber das ist leider nicht der Fall. Wenn ich beispielsweise als Zahnarzt arbeite und nur schreibe „Bohren, Bohren, Bohren“, dann kann der Sachbearbeiter nicht wirklich nachvollziehen, wie diese Tätigkeit körperlich und mental belasten kann.
Besser ist es, dem Versicherer genau zu erklären, welche Aufgaben die Tätigkeit umfasst, welche Belastungen damit verbunden sind, und wie sich diese möglicherweise durch die Erkrankung verändern. Wenn ich zum Beispiel als Zahnarzt Schwierigkeiten habe, präzise zu arbeiten, weil mir die Feinmotorik fehlt, dann muss ich das auch genau darstellen. Je präziser die Darstellung, desto höher die Chancen, dass die Versicherung die Berufsunfähigkeit anerkennt.
Dann kommen wir zum letzten Punkt, den Arzt. Wie wichtig ist der denn im gesamten Prozess?
Klaus: Er spielt eine zentrale Rolle, vor allem, wenn es darum geht, die Berufsunfähigkeit ärztlich nachzuweisen. Wenn der Versicherungsnehmer keine ärztliche Unterstützung hat oder sich nicht in Behandlung begibt, hat er ein großes Problem. Denn ohne ärztliche Bestätigung wird es sehr schwer, den Anspruch auf Berufsunfähigkeit durchzusetzen.
Als Anwalt muss ich dann oft meinen Mandanten raten, sich zunächst einmal in ärztliche Behandlung zu begeben, damit wir eine solide Datenbasis für die Leistungsprüfung haben. Der Arzt muss bestätigen, dass die Erkrankung die berufliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigt, und das ist ein wichtiger Bestandteil des Antrags.
Haben Sie vielen Dank für diese Aufstellung.
Hier geht’s zum Interview:
„Der Vertrag könnte rückwirkend aufgehoben werden“ von Pfefferminzia auf Vimeo.
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