Rechtsanwalt Oliver Klaus von der Kanzlei Rechtsanwälte für Berufsunfähigkeit. © Pfefferminzia / Canva
  • Von Redaktion
  • 14.02.2025 um 11:53
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Selbstständige stehen unter hohem Druck und sind oft besonders stark von Berufsunfähigkeit betroffen. Doch warum ist es so kompliziert, sie abzusichern? Rechtsanwalt Oliver Klaus erklärt im Interview, welche Klauseln in der BU-Police Probleme bereiten können und wie man mit ihnen umgehen sollte.

Pfefferminzia: Warum ist das Thema Berufsunfähigkeit bei Selbstständigen so speziell? 

Oliver Klaus: Der Prüfungsumfang ist größer. Und Selbstständige sind oft von Berufsunfähigkeit betroffen, da sie einer hohen Belastung ausgesetzt sind. In den meisten Fällen sind psychische Erkrankungen die Ursache. Doch es kommt nicht nur auf die medizinische Komponente an. In der Berufsunfähigkeitsversicherung gilt ja das Prinzip, dass eine Person ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr ausführen kann. Doch bei Selbstständigen gibt es oft einen weiteren entscheidenden Faktor: Sie müssen im schlimmsten Fall nachweisen, dass sie ihren Betrieb nicht umorganisieren können und ihnen kein anderes Tätigkeitsfeld bleibt, das eine Berufsunfähigkeit ausschließt. 

Das ist ziemlich sperrig. Was heißt das denn? 

Klaus: Der Versicherte muss der Versicherung beweisen, dass er wirklich keine andere Möglichkeit hat zu arbeiten. Dabei spielt die Betriebsgröße eine Rolle. Früher gab es viele Handwerksbetriebe, an denen sich die Situation anschaulich erklären lässt: Ein Betrieb mit sechs oder sieben Gesellen und einem Betriebsinhaber, der nun aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr handwerklich tätig sein kann. Dann wird geprüft, ob sich seine handwerkliche Tätigkeit auf die Mitarbeiter verteilen lässt, ohne dass es zu einem erheblichen Umsatzverlust oder erhöhten Kosten führt. 

Zumutbar muss es also sein? 

Klaus: Genau, so eine Umorganisation muss zumutbar sein. Wenn das ohne große finanzielle Verluste möglich ist, kann es für den Versicherungsnehmer zum Problem werden. Wenn es sich um einen Einzelunternehmer handelt, ist es meist etwas leichter zu handhaben. Denn ihm kann man nicht zumuten, Geld in die Hand zu nehmen, um beispielsweise einen anderen Geschäftsführer einzustellen. 

Dennoch ist die gesamte Thematik komplex – sowohl für den Mandanten als auch für mich als Anwalt. Ich muss den Betrieb genau analysieren: Wer arbeitet wo? Welche Aufgaben sind essenziell? Wie ist die Struktur? Oft sind Ortstermine notwendig, denn auch die Versicherung wird sich den Betrieb anschauen. Sie arbeitet mit externen Regulierern zusammen, die vor Ort prüfen, ob eine Umorganisation möglich ist. Dabei kommt es häufig zu Vorschlägen wie: „Setzen Sie sich doch einfach ans Telefon oder empfangen Sie nur noch Kunden.“ 

Haben alle Versicherer so eine Klausel? 

Klaus: Sie ist in etwa 90 Prozent der Versicherungsbedingungen enthalten. Ausnahmen gibt es in speziellen Absicherungen, zum Beispiel für Beamte oder bei Flugdienstuntauglichkeit. In den meisten Berufsunfähigkeits-Policen findet sich jedoch immer ein Absatz nach der Definition der Berufsunfähigkeit, der diese besondere Prüfung für Selbstständige regelt. 

Sollte man beim Abschluss eines Berufsunfähigkeitsvertrags auf etwas Bestimmtes achten? 

Klaus: Eigentlich gibt es wenig, worauf man speziell achten kann. Der Versicherer fragt den Beruf ab, und diese Klausel ist standardgemäß in den Verträgen enthalten. Oft entwickelt sich eine Selbstständigkeit erst später. Viele beginnen als Angestellte und wechseln später in die Selbständigkeit, ohne sich bewusst zu sein, dass diese Regelung dann für sie relevant wird. Man kann das also kaum gezielt beeinflussen, sondern muss sich im Bedarfsfall mit der Situation auseinandersetzen und prüfen, ob eine Umorganisation des Betriebs möglich oder eben nicht zumutbar ist. 

Welche Selbstständigen sind besonders oft von Berufsunfähigkeit betroffen? 

Klaus: Häufiger betroffen sind Berufe mit hohem Druck, insbesondere im Vertrieb. Viele meiner Mandanten sind selbstständige Versicherungsmakler oder Handelsvertreter, die für eine Versicherung arbeiten. Auch in der IT-Branche sehen wir hohe Zahlen: IT-Beratung und IT-Vertrieb erfordern oft das Erreichen bestimmter Verkaufszahlen, was enormen Druck erzeugt. 

Darüber hinaus sind ärztliche Berufe besonders betroffen. Insbesondere jene Ärzte stehen unter großem Druck, die immer mehr administrative Aufgaben erledigen müssen und weniger Zeit für die Patienten haben. Interessanterweise sehen wir das bei anderen akademischen Berufen wie Anwälten, Architekten oder Steuerberatern weniger häufig. Zusammenfassend würde ich sagen, dass die Top 3 der betroffenen Berufsgruppen Selbstständige im Vertrieb, IT-Berater und Ärzte sind. 

Wir hätten eher auf Handwerker getippt. 

Klaus: Früher galt die Berufsunfähigkeitsversicherung als klassische Handwerkerversicherung, da körperlicher Verschleiß eine große Rolle spielte. Allerdings benötigen Handwerker oft keine anwaltliche Hilfe, weil in Fällen von schweren Verschleißerscheinungen oder gar Verlust von Gliedmaßen die Berufsunfähigkeit klar nachweisbar ist. 

Das Interview können Sie hier anschauen.


„Selbstständige müssen oft beweisen, dass Umorganisation nicht geht“ von Pfefferminzia auf Vimeo.

>>Zum Teil 4: „Faktisch entscheidet das der Versicherer“

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