- Von Karen Schmidt
- 13.10.2022 um 16:44
Um die finanziellen Probleme der gesetzlichen Rentenversicherung zu lösen, wird immer wieder ein höheres Renteneintrittsalter ins Spiel gebracht. Gerade Menschen, die in körperlich anstrengenden Berufen arbeiten, wehren sich mit Blick auf ihre Gesundheit gegen solche Vorschläge. Zu Recht, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) nun mit einer Studie beweist.
Anhand einer Rentenreform aus dem Jahr 1999 konnte das Institut nachweisen, dass sich der gesundheitliche Zustand verschlechtert, wenn Menschen erst später in den Ruhestand gehen können. Das gelte vor allem mit Blick auf psychische Krankheiten wie Stimmungsstörungen, aber auch mit Blick auf körperliche Erkrankungen, beispielsweise Übergewicht und Arthrose.
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Konkret haben die Rentenexpertinnen und -experten Mara Barschkett, Johannes Geyer und Peter Haan die Abschaffung der sogenannten Altersrente für Frauen untersucht. Bis 2011 konnten Frauen unter bestimmten Voraussetzungen bereits mit 60 Jahren und Abschlägen in Rente gehen. Frauen der Geburtsjahrgänge ab 1952 hatten diese Option nicht mehr; sie konnten sich in der Regel frühestens mit 63 Jahren verrenten lassen.
Auf Basis von Daten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) haben die Forscherinnen und Forscher den Geburtsjahrgang 1951 – also den letzten, der von der alten Regelung profitieren konnte – und den Jahrgang 1952 unter die Lupe genommen und deren Gesundheit verglichen.
Stressbedingte Krankheiten legen zu
Und was kam dabei heraus? Srressbedingte Krankheiten bei 60 bis 62 Jahre alten Frauen des Jahrgangs 1952 legten im Vergleich zum durchschnittlichen Vorkommen im Jahrgang 1951 um 0,8 Prozentpunkte auf rund 23 Prozent zu. Die Häufigkeit von Stimmungsstörungen habe im Zuge der Rentenreform um 0,9 Prozentpunkte auf etwa 19,5 Prozent zugenommen. Bei 59-jährigen Frauen seien die Anstiege noch größer gewesen, was das DIW mit Antizipationseffekten erklärt.
„Arbeit ist offenbar insbesondere in höherem Alter mit Stress verbunden und überfordert einen Teil der Beschäftigten“, sagt Mara Barschkett. Auch im Alter von 63 bis 65 Jahren hätten sich bei den Rentnerinnen noch negative Gesundheitseffekte, wenngleich weniger stark.
Weniger eindeutig bei körperlichen Erkrankungen
Bei körperlichen Erkrankungen ist das Bild weniger eindeutig und hängt von der speziellen Diagnose ab, so die DIW-Forscher weiter. Aber, fest stehe: der Gesundheitszustand verbessert sich durch eine Erhöhung des Renteneintrittsalters nicht. Für Übergewicht ergebe sich eine deutliche Zunahme von bis zu einem Prozentpunkt auf etwa 14,5 Prozent. Grund dafür könnten neben mangelnder Zeit für Sport und gesunde Ernährung auch die festgestellte Zunahme der psychischen Belastungen sein, heißt es. Auch Arthrose und Rückenbeschwerden traten deutlich häufiger auf.
Um die gesundheitlichen Folgen eines höheren Renteneintrittsalters abzumildern, sprechen sich die Studienautorinnen und -autoren unter anderem für präventive Gesundheits- und Bildungsinvestitionen aus. „Wenn die Arbeit die Gesundheit erst in Mitleidenschaft gezogen hat, ist es meist zu spät – zielgerichtete Gesundheitsvorsorge muss bereits in jungen Berufsjahren ansetzen, um die Beschäftigten dauerhaft zu stärken“, empfiehlt Haan. „Dabei geht es auch darum, Berufswechsel zum Ende des Erwerbslebens zu erleichtern, um der körperlichen Verfassung entsprechende Tätigkeiten ausüben zu können. Weiterbildung ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges Stichwort. Allerdings ist auch die Bereitstellung altersgerechter Arbeitsplätze wichtig“, so Haan.
Da es jedoch immer Menschen geben werde, die in höherem Alter nicht mehr arbeiten könnten, seien darüber hinaus gehende Lösungen gefragt, ergänzt Rentenexperte Geyer. „Eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters sollte daher mit Reformen und Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente einhergehen.“
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