- Von Lorenz Klein
- 18.02.2021 um 16:13
Ist das Neugeschäft der Lebensversicherer in der betrieblichen Altersversorgung (bAV) im Corona-Jahr 2020 unter die Räder gekommen? Das stand zumindest zu befürchten, denn „durch die Pandemie waren Arbeitgeber- und Mitarbeiterberatung vor Ort natürlich nur sehr eingeschränkt möglich“, wie Hermann Schrögenauer, Vertriebsvorstand der LV 1871, rückblickend berichtet. Dafür sei aber die Online-Beratung in den Fokus gerückt, betont Schrögenauer.
Das mag stimmen, doch der Blick auf die Vertriebszahlen zeigt: Das bAV-Neugeschäft hat 2020 gelitten, ganz erheblich sogar. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) meldete für die bAV einen Einbruch im Neugeschäft „von sage und schreibe 18 Prozent gegenüber dem eh schon historisch gesehen eher schwachen Jahr 2019“, wie Manfred Baier, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands pauschaldotierter Unterstützungskassen, die jüngste Entwicklung kritisch kommentiert.
„Wir müssen über ein Obligatorium in der bAV sprechen“
„Der Makler muss im ersten Quartal auf seine Kunden zugehen“
Der Fehler liege im System, findet Baier. „Nullzinsen, hohe Produkt- und Vertriebskosten, kaum Anreize für die Unternehmen, unkalkulierbare Haftungsrisiken – das kann doch nichts mehr werden!“, echauffiert sich der Verbandschef, der im Hauptberuf die Authent-Gruppe leitet. Diese ist auf die Einrichtung und Verwaltung von Versorgungswerken spezialisiert – und nutzt dazu den fünften und zudem versicherungsfreien bAV-Durchführungsweg.
Doch mit derlei Abgesängen auf Direktversicherung und Co. dürfte Baier unter Versicherungsmanagern auf vehementen Widerstand stoßen. Und auch die Experten des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmens Deloitte gehen in ihrer jüngsten Marktuntersuchung davon aus, dass die bAV insgesamt – also auch die versicherungsförmige Variante – „mit ihren Attributen Nachhaltigkeit, Fürsorge und Sicherheit langfristig auf einen steigenden Bedarf“ treffen werde.
Geduld gefragt
Langfristig wohlgemerkt. Geduld scheint also gefragt. „Veränderungen erfolgen nur langsam und in kleinen Schritten. Dazu kommen immer wieder Rückschläge, so wie die Covid-19-Situation, die bei den Arbeitnehmern zu einer Verschiebung des Fokus führt“, fassen die Autoren das Lagebild im November 2020 zusammen.
Kurzum: Es ist mühsam. Der Gesamtbestand der laufenden bAV-Verträge in den Büchern der Versicherer ging 2020 sogar leicht zurück – um 0,2 Prozent auf 16,2 Millionen. Immerhin konnten sich aber die Beitragseinnahmen der Branche mit rund 19 Milliarden Euro auf Vorjahresniveau halten. Doch Auf-der-Stelle-Treten ist eben kein Wachsen.
In den vergangenen vier Jahren habe es „de facto keine Verbesserung beim Verbreitungsgrad der bAV“ gegeben, stellen die Studienautoren von Deloitte fest. Der Anteil der Arbeitnehmer, die Brutto-Entgeltumwandlung betreiben, stagniere seit 2017 bei etwa einem Viertel. Das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG), das 2018 in Kraft trat, hat daran bislang wenig ändern können. Die Verbreitung rein arbeitgeberfinanzierter Altersversorgung ist Deloitte zufolge seit 2017 sogar von 40 auf 35 Prozent zurückgegangen.
Entgeltumwandlung muss es richten
Eine weitere aktuelle Studie, herausgegeben vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im Januar 2021, beziffert den Anteil der Unternehmen, die die Beiträge zu einer Betriebsrente ausschließlich allein schultern, sogar nur auf ein gutes Viertel – 2001 sei das noch bei 54 Prozent der Fall gewesen. Zu teuer und im Niedrigzinsfeld auch zu riskant, scheint die Denke in vielen Unternehmen zu sein.
Immer häufiger muss also die Entgeltumwandlung die Vorsorgelücke schließen, die die Arbeitgeber hinterlassen. Arbeitnehmer, die in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind, haben einen Rechtsanspruch auf eine derartige Entgeltumwandlung. Das Prinzip: Ein Teil des Bruttogehalts wird zum Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung genutzt. Bis zu 3.408 Euro lassen sich auf diese Weise sozialabgabenfrei und bis zu 6.816 Euro steuerfrei einzahlen – in eine Direktversicherung, eine Pensionskasse oder einen Pensionsfonds. Das Problem: Laut Deloitte nutzten im vergangenen Jahr nur 24 Prozent der 2.000 befragten, sozialversicherungspflichtig Beschäftigten die Möglichkeit, eigene Beiträge von ihrem Bruttoeinkommen in einem bAV-Vertrag anzusparen.
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