BGH-Tafel vor dem Gerichtsgebäude: Ein neuestes BGH-Urteil trennt klar zwischen Grundfähigkeitsversicherungen und Berufsunfähigkeitsversicherungen. © picture alliance / Chromorange | Michael Bihlmayer
  • Von Barbara Bocks
  • 15.01.2025 um 17:05
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Der BGH hat in einem aktuellen Urteil bestätigt, dass eine Grundfähigkeitsversicherung keine Arbeitskraftabsicherung darstellt. Es reicht aus Sicht der Richter nicht aus, wenn ein Produkt „Risiken der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit sehr weitgehend abdeckt“. Was das für Versicherungsmakler heißt, hat Versicherungsmakler Matthias Helberg in einem Blogbeitrag erklärt.

Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) besagt, dass die Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) für Lebensversicherungen weder für die Grundfähigkeitsversicherung, noch für Dread-Disease-Policen gelten. Denn solche Verträge knüpften nicht unmittelbar daran an, dass die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt ist. Zu dieser Schlussfolgerung kommt Versicherungsmakler Matthias Helberg in einem Blogbeitrag zum BGH-Urteil vom 11. Dezember 2024 (Aktenzeichen IV ZR 498/21).

Darum ging es in dem BGH-Urteil zwischen Axa und Verbraucherzentrale Hamburg

Die Verbraucherzentrale Hamburg hatte die Axa verklagt, weil diese im Jahr 2019 ihren Kunden deren Verträge zur „Unfall-Kombirente“ gekündigt hatte.

  • Die „Unfall-Kombirente“ war im Grunde eine Unfallrentenversicherung mit Leistungen auch bei Eintritt einiger schwerer Krankheiten, dem Verlust von Grundfähigkeiten und bei Pflegebedürftigkeit.
  • 8.000 Kunden hatten eine Kündigung von der Axa erhalten, weil sie dem Wechsel in die wegen kürzerer Rentenzahlungen schlechtere und darüber hinaus teurere „Existenzschutzversicherung“ nicht zugestimmt hatten.

Die Verbraucherzentrale hatte in ihrer Klage der Axa vorgeworfen, sie habe die „Unfall-Kombirente“ quasi als Alternative zur Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) angepriesen. Eine BU dürfe ein Lebensversicherer aber nicht ordentlich kündigen. Daher müsse das auch für die erwähnte „Unfall-Kombirente“ der Axa gelten, obwohl es sich dabei eigentlich um eine Sachversicherung handelte. Damit wollten die Verbraucherschützer sozusagen das Verkaufsargument der Axa umdrehen und gegen sie verwenden.

Die Verbraucherzentrale Hamburg und Axa stritten sich erst vorm Landgericht, dann Oberlandesgericht, bis der Fall vor dem Bundesgerichtshof landete. Und der gab nun endgültig der Axa recht.

So begründete der BGH seine Entscheidung: „In Verträgen über eine Unfall-Kombirente, in denen der Versicherer eine Leistung nach einem Unfall, nach definierter Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit bestimmter Organe oder der körperlichen und geistigen Fähigkeiten als Folge einzelner Krankheiten oder durch Unfall, bei Verlust einzelner Grundfähigkeiten und nach Feststellung einer Pflegestufe gemäß Sozialgesetzbuch verspricht, verstößt die Vereinbarung eines Rechts des Versicherers zur ordentlichen Kündigung in Nr. 10.2 Abs. 2 und 4 AUB 2008 nicht gegen das Transparenzgebot des Paragraphen 307 Absatz 1 Satz 2 BGB und benachteiligt den Versicherungsnehmer nicht unangemessen im Sinne von Paragraph 307 Absatz 1 Satz 1 BGB.“

Das ist reichlich sperrig und heißt auf Deutsch: Die Regeln für Lebensversicherungen gelten nicht für die „Unfall-Kombirente“. Die Axa durfte also die Verträge kündigen.

Weiter vom BGH: Ein Lebensversicherer dürfe nicht ordentlich kündigen, weil er nach Paragraf 163 und 164 VVG, einseitig Prämien und Versicherungsbedingungen ändern darf. Das gelte wegen Paragraph 176 VVG auch für die Berufsunfähigkeitsversicherung und sei (…) auf Versicherungsverträge entsprechend anwendbar, bei denen der Versicherer für eine dauerhafte Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit eine Leistung verspricht.

Dann kommt aber der Knackpunkt: Dafür muss laut BGH die Arbeits- oder Erwerbsunfähigkeit den Versicherungsfall unmittelbar auslösen (und eben nicht der Verlust einer Grundfähigkeit). Deshalb könne man Paragraph 177 Absatz 1 VVG auch nicht auf die Grundfähigkeitsversicherung oder die Schwere-Krankheiten-Versicherung anwenden.

Und was heißt das?

Laut BGH sind die im Versicherungsvertragsgesetz enthaltenen Regelungen zur Berufsunfähigkeitsversicherung (Paragraph 172 bis 177) nicht auf die Grundfähigkeitsversicherung, Dread-Disease-Policen und  Multifunktionsrenten wie die „Unfall-Kombirente“ anwendbar. Es sind einfach unterschiedliche Dinge.

Fazit von Helberg zum Urteil

Das Urteil greift ein schon oft diskutiertes Thema auf: Sollte man Grundfähigkeitsversicherungen pauschal als Arbeitskraftabsicherung bewerben?

Helbergs Antwort darauf: Nein. Das sollte man noch nie. „Wenn ich meine Arbeitskraft wegen der Folgen einer Krankheit oder eines Unfalls verliere und allein das keine Leistung aus einer für diesen Fall abgeschlossenen Versicherung auslöst, handelt es sich nicht um eine Arbeitskraftabsicherung, Punkt“, schreibt der Makler.

Es reiche eben nicht aus, dass ein Produkt „Risiken der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit sehr weitgehend abgedeckt“.

Der BGH stelle zur „Unfall-Kombirente“ fest, was man zumindest auf die meisten Tarife der Grundfähigkeitsversicherung und Dread-Disease-Police anwenden kann:

Keiner der vier (…) Leistungsfälle knüpft unmittelbar daran an, dass die Arbeitsfähigkeit des Versicherten beeinträchtigt ist.

„Schön, dass der BGH sich jetzt – wenn auch etwas juristisch verklausuliert – deutlich geäußert hat“, so das Fazit von Helberg.

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Barbara Bocks

Barbara Bocks ist seit 2011 als Journalistin im Wirtschafts- und Finanzbereich unterwegs. Seit Juli 2024 ist sie als Redakteurin bei der Pfefferminzia Medien GmbH angestellt.

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