- Von Karen Schmidt
- 17.12.2021 um 11:09
Einen ähnlichen Knackpunkt bei der Automatisierung der Risikoprüfung sieht auch Stefan Wittmann – wichtig für die Zuverlässigkeit des ganzen Prozederes seien die Antragsfragen. „Sie sind so auszugestalten, dass der individuelle Gesundheitszustand des Kunden abgebildet wird und anhand der Informationen möglichst eine abschließende Risikoeinschätzung ohne weitere Rückfragen erfolgt. Es darf somit nicht zu wenig, aber auch nicht zu viel erfragt werden. Hier die richtige Balance zu finden ist die Herausforderung“, so der Experte. Das bloße Abbilden der im Papierantrag verwendeten Fragen sei nicht ausreichend. Wie bei allen Digitalisierungsthemen gelte vielmehr, dass eine Ausrichtung des Prozesses auf den Nutzer erfolgen müsse.
Bei Franke und Bornberg hat man über die acht Jahre, die Vers.diagnose schon in der Praxis eingesetzt wird, intensiv daran gearbeitet, diese Probleme immer weiter zu reduzieren. Bornberg: „Durch das dynamische Fragenset werden auch komplexere gesundheitliche Situationen abgebildet. Selbst wenn zusätzliche Fragebögen noch erforderlich sein sollten, sind diese oft bereits in Vers.diagnose hinterlegt.“
Fehlendes medizinisches Wissen kann Probleme machen
Nun stecken die Schwierigkeiten aber nicht immer nur in der Technik, weiß Helvetia-Mann Piechowiak. „Die Eingaben in den Masken können nur so gut wie die vorhandene Qualität der Gesundheitsdaten des Kunden sein. Hier kann zum Beispiel das medizinische Wissen zur Interpretation von Arztberichten fehlen, sodass die Eingabe unvollständig erfolgt. Auch können im Rahmen von Arztanfragen zu Erkrankungen später noch Erkenntnisse entstehen, die das Risikoprüfungstool deshalb vielleicht noch gar nicht bewerten konnte.“ Zudem seien Kombinationen von mehreren Erkrankungen und Risiken auch für erfahrene Risikoprüfer eine Herausforderung. Ein elektronischer Entscheidungsbaum gelange hier schnell an seine Grenzen. Piechowiak: „Trotzdem bleiben viele Vorteile der dynamischen Eingabemasken erhalten, auch wenn keine Entscheidung getroffen wird. Denn die Datenqualität des Antrags ist meistens deutlich höher.“
Trotzdem gebe es viele Berater, die das handschriftliche Ausfüllen der Gesundheitsfragen als festen Baustein ihrer Beratung nutzten und es durch die persönliche Note als unterstützend für die Kundenbindung sähen, beobachtet der Helvetia-Experte. Ebenso sei einigen Beratern die Unterschrift auf Papier wichtig. Stefan Wittmann sieht einen weiteren Grund für die ausbaufähige Akzeptanz der Vermittler darin, „dass sie sich bessere Risikoeinschätzungen durch einen guten persönlichen Kontakt zum Risikoprüfer des Versicherers erwarten beziehungsweise erhoffen.“ Das könnte man umschiffen, indem die Erstprüfung des Antrags durch die Maschine erfolge – aber mit intelligenter Absprungmöglichkeit zu einem Risikoprüfer, vor allem bei wichtigen Kunden und Fällen mit Interpretationsspielraum.
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