- Von Jens Lehmann
- 17.03.2025 um 11:11
Doch es gibt auch Kritik. Stefan Wittmann, Abteilungsdirektor Leben bei der Deutschen Rück, weist darauf hin, dass die konkrete Verweisung aus aktuarieller Sicht eine wichtige Funktion habe. „Sie beschränkt die Leistungsausgaben der Versicherer auf den Ersatz des Einkommensausfalls und schützt damit das Kollektiv vor zu hohen Belastungen und damit auch vor zu hohen Prämien“, so der Experte. Deshalb fordert Wittmann eine Kompensation für die zu erwartenden höheren Leistungsausgaben und empfiehlt BU-Versicherern, die auf die konkrete Verweisung verzichten möchten, einen Prämienzuschlag von mindestens 10 Prozent.
Zusätzlich sind auch rigidere Leistungsprüfungen denkbar. In dem Fall würde das BU-Versicherungskollektiv die Folgen der neuen Verweisungsregeln zu spüren bekommen. Die Talanx-Tochter HDI schließt das aus. Die Neuregelung betreffe laut von Löbbecke nur eine überschaubare Anzahl von Praxisfällen.
Aufwand für Versicherer ist hoch
„Unabhängig davon stützt sich unsere Entscheidung auf unsere eigene umfangreiche Datenbasis. Daher sind wir im engen Schulterschluss mit unserem Rückversicherer zu dem Ergebnis gekommen, dass der Verzicht auf die konkrete Verweisung bestens kalkuliert ist.“ Die Leistungsverbesserung gehe weder zulasten der Prämien und Tarifbedingungen noch der Gesundheitsfragen. Das Kollektiv werde nicht belastet.
Das dürfte zum Teil auch daran liegen, dass die komplexe und arbeitsintensive Prüfung der konkreten Verweisung entfällt. „Der Aufwand, den wir als Versicherer in der Nachprüfung für die geringe Anzahl der Fälle betrieben haben, stand in keinem Verhältnis zum Nutzen für das Versicherungskollektiv“, so von Löbbecke.
„Wir sind überzeugt, dass wir die Ressourcen, die wir mit dem Verzicht einsparen, für unsere Kunden und Vertriebspartner sinnvoller einsetzen können.“ Unabhängig davon überprüfe der Versicherer aber weiterhin, ob eine gesundheitliche Verbesserung bei der versicherten Person eingetreten sei und somit keine Berufsunfähigkeit mehr vorliege.
Optional und gegen Mehrbeitrag
So verfährt auch die Bayerische, die seit dem vergangenen Sommer in ihrer Zusatzoption „Prestige-Schutz“ im BU-Tarif „BU Protect“ als zweiter deutscher Berufsunfähigkeitsversicherer auf die konkrete Verweisung verzichtet. Anders als HDI finanziert die Bayerische den Schritt durch einen Mehrbeitrag. „Denn tatsächlich werden wir durch den Verzicht auf die konkrete Verweisung etwas mehr Leistungsfälle zahlen“, erklärt Kristine Rößler, Leiterin Geschäftsfeld Einkommensabsicherung bei der Bayerischen, die Gegenfinanzierung durch eine höhere Prämie.
Dafür bekämen die Kunden aber mehr Sicherheit im BU-Leistungsfall. So könne beispielsweise ein Landschaftsgärtner, der wegen Herzproblemen keine körperliche Tätigkeit mehr ausüben könne und eine Berufsunfähigkeitsrente beziehe, zu gleichem Gehalt als Berater im Baumarkt arbeiten, ohne auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung verzichten zu müssen. „In einer herkömmlichen BU kann er dagegen konkret auf diesen Beruf verwiesen werden, und die BU-Rente entfällt“, so Rößler.

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