- Von Guido Lehberg
- 10.02.2025 um 16:13
Am 11. Dezember 2024 verkündete der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil (Aktenzeichen: IV ZR 498/21), das innerhalb kürzester Zeit die Versicherungsbranche erschütterte. Erste Reaktionen aus der Branche ließen vermuten, dass die Grundfähigkeitsversicherung (GFV) durch das Urteil in eine Krise geraten oder gar obsolet werden könnte. Doch ist diese Annahme wirklich haltbar? Eine genaue Analyse zeigt: Die Schlagzeilen führen oft in die Irre, und die Realität ist weitaus differenzierter (zu meinem Blog geht es übrigens hier).
Hintergrund des Urteils: Die Kündigung einer Unfall-Kombirente
Ausgangspunkt der BGH-Entscheidung war die Kündigung einer Unfall-Kombirente durch die Axa Versicherung. Den betroffenen Kunden wurde angeboten, in eine teurere „Existenzschutzversicherung“ zu wechseln – ohne neue Gesundheitsprüfung, aber zu höheren Beiträgen. Diese Praxis stieß auf Widerstand, sodass ein Fall letztlich vor den Bundesgerichtshof getragen wurde.
Die Kläger argumentierten, dass die Unfall-Kombirente als Ersatz für eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) beworben wurde und daher die gleichen rechtlichen Schutzmechanismen gelten müssten. Wäre dem so, hätte die Axa den Vertrag nicht kündigen dürfen. Doch der BGH wies diese Argumentation zurück: Eine Unfall-Kombirente habe keinen direkten Bezug zur beruflichen Tätigkeit des Versicherten und sei daher nicht mit einer BU-Police gleichzusetzen. Die Kündigung sei somit rechtens.
Missverständnisse und Fehlinterpretationen
Aus dieser Entscheidung wurden voreilige Schlüsse gezogen, die weit über den eigentlichen Fall hinausgehen. Einige Versicherungsvermittler und Fachmagazine interpretierten das Urteil so, dass es sich auch auf die Grundfähigkeitsversicherung übertragen ließe. Die Argumentation: Da auch eine GFV nicht zwingend an eine konkrete Berufsausübung gekoppelt ist, könnte sie ebenfalls von Versicherern gekündigt werden.
Doch diese Annahme trifft nicht zu. Hier werden unterschiedliche Versicherungsmodelle miteinander vermischt, was zu unnötiger Verunsicherung führt. Denn die Unterschiede zwischen einer Unfall-Kombirente und einer Grundfähigkeitsversicherung sind gravierend.
Wichtige Unterschiede zwischen Unfall-Kombirente und GFV
Die Unfall-Kombirente gehört zur Kategorie der Multi-Rentenversicherungen, die von Sachversicherern angeboten werden. Beispiele hierfür sind Produkte wie KISS (Barmenia), Multi-Protect (Bayerische) oder die Multi-Rente von Janitos. Bei Sachversicherungen ist es üblich, dass sowohl der Kunde als auch der Versicherer den Vertrag ordentlich kündigen können – beispielsweise nach einem Schaden oder zur Hauptfälligkeit.
Die Grundfähigkeitsversicherung hingegen wird nach den Kalkulationsgrundsätzen einer Lebensversicherung gestaltet. Sie wird ausschließlich von Lebensversicherern angeboten und unterliegt damit völlig anderen Regelungen. Der Versicherer kann eine GFV nicht einfach kündigen – mit Ausnahme von Fällen, in denen eine vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt wurde. Dies gilt unabhängig davon, ob die versicherten Grundfähigkeiten direkt mit einer Berufsausübung in Verbindung stehen oder nicht.
Das Urteil und seine Auswirkungen auf die GFV
Die BGH-Entscheidung hat somit keinerlei direkten Einfluss auf bestehende Grundfähigkeitsversicherungen. Wer eine solche Police besitzt oder abschließen möchte, muss sich keine Sorgen machen. Solange bei Vertragsabschluss die Gesundheitsfragen korrekt beantwortet wurden, kann die Versicherung nicht einseitig gekündigt oder verschlechtert werden.

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