- Von Redaktion
- 21.12.2022 um 13:29
Von der hohen Inflation betroffen sind auf unterschiedliche Weise alle Stakeholder in der betrieblichen Altersversorgung (bAV), also Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Versorgungsträger. Relativ am besten stehen derzeit noch die Rentner da: Schätzungsweise gut zwei Drittel gehören zu jenem Personenkreis, dessen Betriebsrente praktisch dadurch gegen die Teuerung geschützt ist, dass der Arbeitgeber gesetzlich dazu verpflichtet ist, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen zu prüfen. Kommt es zu einer Anpassung, orientiert sich diese in der Regel an der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes für Deutschland (VPI).
Bei neueren Zusagen, die ab 1999 erteilt wurden, ist es alternativ möglich, die laufenden Renten jährlich um ein Prozent anzuheben. Insofern ist der überwiegende Teil der laufenden Betriebsrenten mehr oder weniger stark gegen Inflation abgesichert.
Ganz anders ist die Perspektive für die heute aktiven Arbeitnehmer. Da für erworbene Versorgungsanwartschaften kein vergleichbarer gesetzlicher Inflationsschutz vorgesehen ist, werden zukünftige Betriebsrenten insoweit entwertet. Hinzu kommt, dass die Inflation die Menschen dazu veranlassen könnte aus einer bestehenden Entgeltumwandlung auszusteigen oder sie gar nicht erst abzuschließen, um mehr Geld für die massiv steigenden Lebenshaltungskosten zur Verfügung zu haben. Insgesamt ist davon auszugehen, dass die aktiven Arbeitnehmer das relativ hohe Versorgungsniveau, das heutige Betriebsrentner vielfach genießen, in Zukunft nicht mehr erreichen werden.
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Versicherungsförmige bAV von der Zinswende speziell betroffen
Dass die Zinsen wieder steigen, weckt bei manchen Versorgungsberechtigten die Hoffnungen auf höhere Leistungen in der Zukunft. Doch bis sich die Zinswende in der versicherungsförmigen bAV positiv bemerkbar macht, wird noch einige Zeit vergehen. Dies hat verschiedene Gründe: Erst einmal können Lebensversicherer und Pensionskassen als Versorgungsträger nur fällig werdende Papiere und echte Nettozuflüsse zu höheren Zinsen anlegen.
Es ist davon auszugehen, dass viele Versorgungsträger, insbesondere Pensionskassen die Erträge, die sie damit erzielen, voraussichtlich vorrangig dazu nutzen, um ihre Risikotragfähigkeit und Eigenkapitalausstattung zu verbessern und die Sicherheiten in der Bewertung ihrer Verpflichtungen zu erhöhen, um die nach wie vor hohen Garantien dauerhaft erfüllen zu können. Erst danach kann über eine Erhöhung der Leistungen aus Überschüssen nachgedacht werden. Nachdem viele Versorgungsträger in den vergangenen Jahren die Überschussbeteiligungen in ihren Altbeständen substanziell, teilweise auf Null, heruntergefahren haben, ist man dort von diesem Schritt noch sehr weit entfernt.
Die Zinswende macht sich noch an einer weiteren Stelle bemerkbar. In der langen Niedrigzinsphase sind bei den Anleihebeständen von Pensionskassen und Lebensversicherungen in großem Umfang Bewertungsreserven entstanden. Diese Reserven wurden als Risikopuffer genutzt, um vermehrt in Aktien, Infrastruktur oder Immobilien zu investieren. Durch die steigenden Zinsen sinkt der Kurs dieser Anleihebestände nun teilweise so stark, dass der Marktwert der Papiere unter dem Buchwert liegt. So werden aus den stillen Reserven stille Lasten.
Ende der Garantien rückt näher
Eine nachhaltige, attraktive Altersvorsorge ist in einem Umfeld, das von niedrigen Zinsen unterhalb der Inflation, also einer negativen Realverzinsung geprägt ist, nicht mehr über Garantien zu erreichen. Die Erfahrungen aus der langjährigen Niedrigzinsphase haben vielmehr gezeigt, dass insbesondere quantitative Leistungsgarantien, etwa über einen fest garantierten Rechnungszins mit einer Versorgungszusage, die von der Anwartschaft bis in die Rentenphase auf sehr lange Zeiträume angelegt ist, nur schwer vereinbar sind.
Hinzu kommt jetzt die Inflation, die sich in den kommenden Jahren auf einem deutlich höheren Niveau bewegen dürfte als in der Vergangenheit und insofern die Renten entwertet. Damit Arbeitgeber und Versorgungsträger mit deutlich weniger Garantien ein angemessenes und hinreichend sicheres Versorgungsniveau zu vertretbaren Kosten in der bAV erreichen können, sollten sie in renditestärkere Anlagen am Kapitalmarkt investieren dürfen. Gut umsetzbar ist das Modell über die beitragsorientierte Leistungszusage mit abgesenkten Garantien. Die Versorgungsleistungen werden hierbei an eine sachwertorientierte Kapitalanlage gekoppelt, die einen langfristigen Inflationsschutz bietet. Das damit verbundene Kapitalmarktrisiko ist angesichts der sehr langen Anlagedauer tragbar, denn die Wertschwankungen in der Kapitalanlage gleichen sich über die Zeit aus.
In schwierigen Zeiten ist Mut gefragt, die ausgetretenen Pfade der Vergangenheit zu verlassen. Das gilt auch für die Stakeholder in der bAV, die ein gemeinsames Interesse an einer zukunftssicheren betrieblichen Altersversorgung haben.
Der Autor
Friedmann Lucius ist Vorstandsvorsitzender des Instituts der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung (IVS) und im Hauptberuf Vorstandssprecher der Heubeck AG.
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