- Von Jens Lehmann
- 31.05.2024 um 14:54
Der Markt für Berufsunfähigkeitsversicherungen ist kräftig in Bewegung geraten. Mehrere Versicherer haben ihr BU-Angebot stark verbessert und gewähren ihren Kunden großzügige Nachversicherungsgarantien. Davon profitieren vor allem junge Versicherte mit guten Karrierechancen. Bei sprunghaften Gehaltssteigerungen, zum Beispiel durch einen Jobwechsel oder eine Beförderung, kann ihre BU-Rente ganz einfach mitwachsen.
„Solche flexiblen Nachversicherungsgarantien sind in der BU-Beratung extrem wichtig geworden“, sagt Versicherungsvermittler und BU-Experte Tobias Bierl. Denn insbesondere Schüler, Studierende, Jungakademiker oder Arbeitnehmer in Führungspositionen und Zukunftsbranchen hätten ein Problem: „Die Rentenhöhe ihrer BU bei Vertragsabschluss passt oft schon nach kurzer Zeit im Job nicht mehr zu ihrem Bedarf. Sie sind massiv unterversichert, weil die BU-Rente Gehaltssprünge nicht oder nur unzureichend abbildet.“
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Da hilft Versicherten auch die übliche BU-Beitragsdynamik mit den konventionellen Steigerungen zwischen 3 und 5 Prozent nicht weiter. Denn in jungen Berufsjahren wächst das Gehalt junger, hoch qualifizierter Arbeitnehmer meist deutlich oberhalb dieser Marken. Zudem hat die Beitragsdynamik in den vergangenen zwei Jahren nicht einmal ausgereicht, um die Teuerungsrate aufzufangen. Die Preissteigerungen haben die Schwächen mancher BU-Verträge gnadenlos aufgedeckt: Die Kaufkraft der BU-Rente hat bei den meisten Versicherten trotz Beitragsdynamik deutlich gelitten.
Hohe Einkommenssteigerungen lassen sich also besser über Nachversicherungsgarantien anpassen. Bislang hatten Versicherte zu bestimmten Ereignissen, wie Studienbeginn, Berufseinstieg, Heirat, Geburt eines Kindes oder Scheidung die Möglichkeit, innerhalb einer Frist von sechs bis zwölf Monaten eine Nachversicherungsoption zu ziehen und ihre BU innerhalb festgelegter Grenzen aufzustocken. „Von den Kunden her gedacht ist das viel zu statisch und unflexibel“, so Bierl. Schließlich habe sich die Arbeitswelt in den vergangenen Jahren erheblich verändert. Speziell für junge Kunden mit Karrierepotenzial und guten Einkommensperspektiven passten die alten BU-Konzepte darum schlicht nicht mehr. Das gelte sowohl für die begrenzten Nachversicherungsoptionen als auch für die maximale Höhe der Rente im Falle der Berufsunfähigkeit. Bierl: „Die jahrelang üblichen 2.000 oder 2.500 Euro Monatsrente reichen für Gutverdiener mit einem Jahreseinkommen von 70.000 Euro oder mehr definitiv nicht aus, um sich angemessen gegen Berufsunfähigkeit abzusichern.“
Versicherer stocken auf
Ein Problem, auf das die Branche inzwischen reagiert. Eine Reihe von Versicherern hat die technische Ausgestaltung ihres BU-Angebots grundlegend überarbeitet und bietet ihren Kunden zusätzlich zu bestehenden Nachversicherungsgarantien weitere Optionen, damit sie ihren Berufsunfähigkeitsschutz erhöhen können. Auch die lange üblichen BU-Höchstgrenzen sind nicht mehr in Stein gemeißelt. „Die Top-Anbieter zahlen im Falle der Berufsunfähigkeit inzwischen Monatsrenten deutlich über den früher standardmäßigen 2.000 bis 2.500 Euro“, sagt Bierl. Der „Deckel“ hat sich bei einigen Versicherern weit nach oben verschoben.
Maßgeblichen Anteil daran hat die LV 1871. Mit ihrer vor vier Jahren gestarteten Karrieregarantie hat sie den Stein ins Rollen gebracht. Das Tool sieht vor, dass die BU bei Gehaltserhöhungen von mindestens 5 Prozent in gleicher Höhe mitwächst, falls der Kunde das wünscht. Und zwar ohne erneute Gesundheits- oder Risikoprüfung, wenn die Obergrenze für die Nachversicherung bereits ausgeschöpft ist. So kann die Berufsunfähigkeitsrente der LV 1871 auf bis zu 7.400 Euro steigen.
Andere Versicherer haben mit ihren BU-Angeboten nachgezogen und das Karrieregarantie-Prinzip „nachgebaut“. Dazu zählen beispielsweise Nürnberger, Hannoversche und Gothaer, die bei steigendem Gehalt eine Monatsrente von maximal 6.000 Euro zahlen. Beim Volkswohl Bund greift eine Nachversicherungsgarantie ab einer Gehaltssteigerung von 10 Prozent. Im günstigsten Fall sind hier für Versicherte 4.000 Euro BU-Rente drin.
Die Besonderheit der Gothaer-Karrieregarantie: Sie gilt auch für Selbstständige, die seit mindestens sechs Jahren selbstständig tätig sind und einen Gewinnsprung von 10 oder mehr Prozent innerhalb der vergangenen drei Jahre nachweisen können. Zudem gilt sie für Beschäftigte, deren Arbeitsvertrag auf mindestens zwei Jahre befristet ist, sofern sich ihr Gehalt um mindestens 5 Prozent im Vergleich zum Vormonat erhöht hat.
Ein Novum in der BU-Branche. Helen Golling, Leiterin Leben Produktsteuerung der Gothaer, begründet den Schritt: „Die Berufswege der Versicherten haben sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Befristete Arbeitsverträge sind in Deutschland mittlerweile üblich. Dem haben wir Rechnung getragen und unser BU-Angebot weiter flexibilisiert.“
Anlasslose Aufstockung erhält öfter Einzug in Produkte
Auch abseits von Karriere- oder Versorgungsgarantie schärfen die Versicherer ihre Produkte deutlich nach. Mit der Berufseinsteigergarantie können Kunden ihren Schutz bei Gothaer und Nürnberger auf einen Schlag auf bis zu 3.000 Euro verdoppeln. Bei der Nürnberger gilt die Erhöhungsoption gar bis zum 50. Lebensjahr – ein Renten-Turbo für berufliche Spätzünder.
Inzwischen lässt sich der Berufsunfähigkeitsschutz bei immer mehr Versicherern auch abseits von Berufseinstieg, Gehaltserhöhung oder Heirat aufstocken. Die LV 1871 räumt Versicherten alle drei Jahre eine anlasslose Erhöhung der monatlichen BU-Rente um 250 Euro ein. Allerdings gilt für die Aufstockungssumme eine Wartezeit von drei Jahren. Andere Versicherer bieten ihren Kunden die Option, ihren BU-Schutz innerhalb der ersten fünf Versicherungsjahre anlasslos zu erhöhen.
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