- Von Lorenz Klein
- 03.02.2022 um 17:01
„Ich habe gedacht, die spinnen? Wie können die sowas ablehnen?“ – Petra Neumann, die Frau des ehemaligen Kfz-Mechanikers Uwe Neumann ist entsetzt. Die WDR-Reportage „die story“ hat die Neumanns bei ihrem zermürbenden Rechtsstreit mit ihrem Berufsunfähigkeitsversicherer (BU) – der Aachen-Münchener – begleitet.
Außerdem schildert der 45-minütige Film, der am Mittwochabend ausgestrahlt wurde und auch in der ARD-Mediathek zu sehen ist, wie es zwei weiteren Menschen ergangen ist, nachdem sie bei ihren jeweiligen Versicherern – der Axa und dem BVV – einen Antrag auf eine BU-Rente stellten – und welche juristischen Auseinandersetzungen danach folgten.
„Ihr Job besteht darin, Auszahlungen zu verhindern“
„Es ist wichtig, junge Kunden nicht zu belehren“
Zurück zu Uwe Neumann: Wie die Reporter erläutern, leidet er an einer Lähmung und ist auf den Rollstuhl angewiesen. Seit mehreren Jahren streitet er mit seiner Versicherung darüber, ob ihm eine Leistung aus seiner Berufsunfähigkeitsversicherung zusteht. In seinem BU-Vertrag heißt es dem Film zufolge: „Berufsunfähigkeit liegt auch dann vor, wenn die versicherte Person pflegebedürftig ist.“
Regulierung ist nicht ans Sozialgesetzbuch gebunden
Dabei erhält Neumann nicht nur die volle staatliche Erwerbsminderungsrente, sondern ist auch nachweislich pflegebedürftig – ihm wurde der Pflegegrad 4, der zweithöchste, zuerkannt. Trotzdem zahlt die Aachen-Münchener, die inzwischen in der Generali Leben aufgegangen ist, nicht. „Schriftlich erklärt man uns“, so berichten es die Reporter, dass Pflegebedürftigkeit laut Neumanns Vertrag „nach eigenen Kriterien, den sogenannten Pflegestufen, definiert wird“.
Die Pflege-Einstufung des BU-Versicherers folgt demnach also nicht dem Sozialgesetzbuch. „Nach diesem Vertrag gilt Neumann nicht als pflegebedürftig“, heißt es im WDR-Bericht. Allerdings dürfe der Versicherer das auch, wie der Rechtswissenschaftler Hans-Peter Schwintowski von der Humboldt Universität zu Berlin gegenüber dem Sender erklärt. „Denn für ihn ist ja das Sozialrecht keine bindende Rechtsmaterie.“ Zugleich betont Schwintowski, dass sich das ändern müsse.
„Der Gesetzgeber hätte – so ähnlich wie er das übrigens bei der Kfz-Haftpflichtversicherung auch macht – die Möglichkeit, für gewisse Grundstandards zu sorgen und beispielsweise zu sagen, dass bestimmte Arten von Pflegegraden einfach anzuerkennen sind.“
BU-Versicherern werde „offensichtlich viel Freiraum gelassen“
Stattdessen werde den Versicherern bei der Feststellung einer Berufsunfähigkeit „offensichtlich viel Freiraum gelassen“, schlussfolgern die Autoren. Das entsprechende Gesetz, das Versicherungsvertragsgesetz (VVG), das die Pflichten der BU-Versicherer definiere, umfasse lediglich sechs Paragraphen, die allesamt nicht viel Konkretes zu bieten hätten, wie der WDR moniert. Im Vergleich dazu sei etwa das Kfz-Haftpflichtversicherungsgesetz mit 16 Paragrafen „sehr viel umfangreicher“.
Noch vor 20 Jahren sei die Berufsunfähigkeitsversicherung Teil der gesetzlichen Rentenversicherung gewesen, werfen die Autoren einen Blick zurück. „Doch das wurde der rot-grünen Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder und Arbeitsminister Walter Riester wohl zu teuer“, heißt es. „Vor 20 Jahren entschieden sie, diesen Teil aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu streichen. Die Menschen sollten sich nun privat gegen Berufsunfähigkeit versichern.“
Rechtswissenschaftler Schwintowski hält diese politische Entscheidung gegenüber dem WDR für zweifelhaft:
„Das war meines Erachtens von Anfang an ein sozialpolitischer Grundfehler, der eigentlich in einem Sozialstaat gar nicht vorkommen darf, denn die Berufsunfähigkeit ist ja nichts anderes als eine lang andauernde Krankheit. Und wieso ausgerechnet Menschen, die lang andauernd krank sind, keine Leistungen mehr bekommen, während die kurzfristig erkrankten eine Leistung bekommen, habe ich noch nie verstanden. Hier stimmt etwas im Gesamtsystem nicht.“
„Und was sagen die damals Verantwortlichen heute?“, fragen die Reporter im Anschluss. „Das Justizministerium, zuständig für Versicherungen, sieht keinen Handlungsbedarf, will sich dazu vor der Kamera nicht äußern – auch die damals mitregierenden Grünen zunächst nicht. Am Ende bekommen wir doch ein Interview.“
Der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Strengmann-Kuhn erklärte dem Sender:
„Ich war nicht dabei, aber wenn ich da jetzt mit Abstand draufgucke, habe ich den Eindruck, dass man da ein bisschen zu blauäugig der Versicherungswirtschaft vertraut hat, so nach dem Motto: Die kriegen das schon hin – oder die haben das vielleicht auch versprochen, das hinzukriegen – und so einfach ist das nicht. Wenn die Berufsunfähigkeitsversicherung privat organisiert ist, dann muss sie staatlich reguliert werden, weil sonst geht es immer zu Lasten der Versicherten.“
Seite 2: GDV-Hauptgeschäftsführer Asmussen: „In 80 Prozent der Fälle wird positiv entschieden“
Hubert Wolf
Vor 3 JahrenMich wundert das nicht sondern bestätigt meine Erfahrungen mit der Generali uneingeschräkt. Als freier Makler meiden wir alle Unternehmungen die mit der Generali zusammenhängen von Anbeginn unserer Tätigkeit. Und wir sind gut bedient.
Guido Berendes
Vor 3 Jahrenin dem Artikel wird viel von Pflege und EM berichtet, aber das Entscheidende fehlt wie so häufig: Wieso lehnt denn die AM die Leistung eigentlich ab ? Vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung? BU-Grad 50% nicht erreicht ? Fehlen Unterlagen? Verweisung?
2 Kommentare
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kommentierenHubert Wolf
Vor 3 JahrenMich wundert das nicht sondern bestätigt meine Erfahrungen mit der Generali uneingeschräkt. Als freier Makler meiden wir alle Unternehmungen die mit der Generali zusammenhängen von Anbeginn unserer Tätigkeit. Und wir sind gut bedient.
Guido Berendes
Vor 3 Jahrenin dem Artikel wird viel von Pflege und EM berichtet, aber das Entscheidende fehlt wie so häufig: Wieso lehnt denn die AM die Leistung eigentlich ab ? Vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung? BU-Grad 50% nicht erreicht ? Fehlen Unterlagen? Verweisung?