- Von Redaktion
- 06.04.2016 um 09:15
Helberg: Derzeit ist es für die Kunden ein irrer Aufwand, die Gesundheitsfragen in einem BU-Antrag so vollständig und korrekt anzugeben, dass der Versicherer ihnen im Leistungsfall möglichst keine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung vorwerfen kann. Interessanterweise hat ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs nun bestätigt, dass hingegen ein Versicherer sich auch dann nicht mehr von einem Vertrag trennen kann, wenn jemand bei Antragsstellung vorsätzlich und arglistig falsche Angaben gemacht hat – zum Beispiel also seine Parkinson-Erkrankung nicht angegeben hat – und seit Vertragsbeginn zehn Jahre vergangen sind. Das gilt sogar dann, wenn der Leistungsfall nach dem fünften Jahr und vor dem zehnten Jahr bereits eingetreten ist. Wer es also darauf anlegt, kann sich als Kunde „hintenrum“ funktionierenden Versicherungsschutz nach zehn Jahren besorgen.
Ich meine, die Versicherer können dann auch gleich eine BU mit zehn Jahren Wartezeit, außer für unfallbedingte Berufsunfähigkeit, und ohne Gesundheitsfragen auf den Markt bringen. Damit wäre ein Riesen-Abschlusshindernis aus der Welt, alle wüssten, woran sie sind und niemand würde hinter das Licht geführt. Bestimmt werden sich auch zu diesem Vorschlag bei vielen Aktuaren die Nackenhaare sträuben. Allerdings gibt es ja auch im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung oder des Belegschaftsgeschäfts Angebote nahezu ohne Gesundheitsfragen – sogar ohne Wartezeit. Es ist wie so oft: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.
Die ersten BU-Versicherer mussten jetzt ihre Beiträge erhöhen, weil mehr Leute berunfsunfähig geworden sind, als angenommen. Ist das auch ein „Fehler des Systems“ oder einfach nur Pech?
Kemnitz: An Pech oder einer erhöhten BU-Schadensquote nur bei diesen Versicherern glaube ich nicht. Natürlich setzt das lang anhaltende Zinstief auch den BU-Versicherern zu. Ich vermute, einige Versicherer haben sich mit ihrer aggressiven Preispolitik zu weit aus dem Fenster gelehnt und mussten dies nun korrigieren. Aber beispielsweise die WWK wurde ja 2015 erst von einer Fachzeitschrift in Zusammenarbeit mit einer Rating-Agentur mit dem Titel „Bester Lebensversicherer Deutschlands“ ausgezeichnet. Trotzdem erhöhte sie die Zahlbeiträge zum Jahreswechsel massiv – eigenartigerweise aber nur in den Berufsgruppen „B“ bis „E“. Akademiker und Führungskräfte, die vorrangig in die Berufsgruppe „A“ eingestuft wurden, blieben von dieser Erhöhung jedoch verschont. Das ist für mich nicht nachvollziehbar – zumal bekanntlich psychische Erkrankungen zunehmend BU-Ursache sind, aber nicht vorrangig bei körperlich Tätigen.
Helberg: Man muss hier klarstellen – es sind nicht die garantierten Beiträge erhöht worden, sondern einige wenige Versicherer mussten die Überschussbeteiligung nun auch für laufende Verträge reduzieren. Weniger Überschüsse bedeuten für die Kunden höhere zu zahlende Nettobeiträge. Die politisch gewollte Nullzinspolitik trifft alle deutschen Lebensversicherer. Manche früher, andere später. Ob darüber hinaus mehr Leistungsfälle als kalkuliert diesen Effekt unterstützen, kann man von außen kaum beurteilen. Auch mit solchen Auswirkungen wird man meines Erachtens für die Zukunft jedenfalls rechnen müssen.
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