Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht und für Gewerblichen Rechtsschutz bei der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte. © Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte
  • Von Redaktion
  • 07.02.2024 um 14:02
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Ein Schüler ist süchtig nach Computerspielen, zockt bis zu 13 Stunden am Tag und kann wegen der sich daraus ergebenden gesundheitlichen und psychischen Probleme nicht mehr zur Schule gehen. Ist das ein Fall für die Schulunfähigkeitsversicherung? Und wie lange muss diese leisten? Rechtsanwalt Björn Jöhnke berichtet in seinem Gastbeitrag von dem Fall.

Was ist geschehen?

Eine Versicherungsnehmerin unterhält für ihren Sohn als versicherte Person eine Berufsunfähigkeitsversicherung, welche Versicherungsleistungen wegen Schul- beziehungsweise Erwerbsunfähigkeit (Tarif: IBU2200S) beinhaltet. Bei dieser „Schulunfähigkeitsversicherung“ ist im Versicherungsfall – also bei mindestens 50-prozentiger Schulunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit – neben der Beitragsbefreiung auch die Zahlung einer monatlichen Rente in Höhe von 472,08 Euro vereinbart.

Am 1. Februar 2017 stellt die Mutter einen Antrag auf Leistungen wegen Schulunfähigkeit ihres Sohnes mit der Begründung, ihr Sohn befinde sich in einem „psychischen Ausnahmezustand“. Denn seit August 2016 bestünden eine Internetspielsucht und Computerspielsucht. Ihr Sohn spiele 12 bis 13 Stunden täglich, wodurch Schlafstörungen, eine Verschiebung des Tag-Nacht-Rhythmus um 12 Stunden, soziale Zurückgezogenheit und eine Essstörung bestünden. Ein Schulbesuch (11. Klasse) sei seit dem 29. August 2016 nicht mehr möglich.

Der Versicherer vertritt die Ansicht, dass eine leistungsauslösende Schulunfähigkeit nicht nachgewiesen ist. Er erklärt sich allerdings bereit, den Sachverhalt erneut zu überprüfen. Am 9. August 2017 gewährt der Versicherer dann ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und rein aus Kulanz vom 1. September 2016 bis zum 31. Dezember 2017 Leistungen.

Nach Ablauf dieses Zeitraumes beantragt die Mutter erneut Leistungen, verweigert jedoch die von der Versicherung geforderte ärztliche Untersuchung ihres Sohnes, sodass sich der Versicherer auf fehlende Fälligkeit beruft und keine weiteren Leistungen erbringt.

Die Entscheidung des Landgerichts Saarbrücken

Die Mutter zieht vor das Landgericht Saarbrücken. Sie vertritt die Ansicht, die Voraussetzungen einer bedingungsgemäßen Schulunfähigkeit ihres Sohnes seien seit August 2016 gegeben und bestünden fort. Ebenso müsse der Versicherer durch entsprechende Drittbefunde eine abschließende Feststellung treffen, zumal ihr Sohn nicht in der Lage sei, sich einer von der Versicherung geforderten weiteren Untersuchung zu stellen.

Das Landgericht folgt der Ansicht der Mutter aber nur insoweit, als dass diese den Versicherer auf Zahlung der rückständigen Rente bis zum 31. Juli 2019 in Anspruch nehmen kann. Wegen der darüberhinausgehenden Ansprüche zieht die Mutter vor das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken.

Die Entscheidung des OLG Saarbrücken

Die Mutter hat dort aber keinen Erfolg (Beschluss vom 07. November 2023, Aktenzeichen 5 W 62/23). Nach Ansicht der Richter hat die Leistungspflicht des Versicherers frühestens am 1. September 2016 begonnen und endete spätestens mit Ablauf des Monats Juli 2019. Es bestehe in diesem Versicherungsfall kein Anspruch auf Versicherungsleistungen für weiter vergangene oder künftige Zeiträume.

Das OLG Saarbrücken ist der Ansicht, dass der Versicherer nicht über den Monat Juli 2019 hinaus zur Gewährung von Leistungen verpflichtet sei. Denn sofern keine Erwerbsunfähigkeit bestehe, die ihrerseits eine Leistungspflicht erst dann auslöst, wenn der Versicherte während der Versicherungsdauer zu mindestens 50 Prozent erwerbsunfähig wird, enden die Leistungen auch bei fortbestehender Schulunfähigkeit spätestens mit dem planmäßigen Ablauf der begonnenen Schulausbildung.

Hier sei der geplante Abschluss der gymnasialen Oberstufe spätestens im Juli 2019 erfolgt. Dies habe zur Folge, dass weitere Leistungen nach diesem Zeitpunkt nur geschuldet seien, wenn Erwerbsunfähigkeit vorliege. Nach Ansicht des Gerichts kommen jedoch keine weiteren Leistungen wegen Schulunfähigkeit ab August 2019 mehr in Betracht, da nach dem planmäßigen Ablauf der begonnenen Schulausbildung auch keine weitere Leistungspflicht wegen Erwerbsunfähigkeit vorliegt. Mithin bliebt es im Ergebnis bei einer Leistungsverpflichtung des Versicherers für die Zeit vom 01. September 2016 bis zum 31. Juli 2019.

Fazit zu diesem Schulunfähigkeitsfall

Die gerichtlichen Entscheidungen sind nachvollziehbar. Ein Abstellen auf die Höchstdauer der geplanten Ausbildung (hier: Abitur) erscheint durchaus plausibel, zumindest wenn es um den Bereich der Schulunfähigkeitsversicherung geht. Eine weitergehende Erwerbsunfähigkeit lag hier nicht vor, sodass auch aus diesem Versicherungsbaustein keine Leistungsverpflichtung bestand.

Interessant ist vorliegend jedoch auch der Leistungsauslöser: Internetspielsucht und Computerspielsucht eines Oberstufenschülers bei 12 bis 13 Stunden täglich – und sich dadurch ergebende Schlafstörungen, Bio-Rhythmus-Störungen, Essstörungen und soziale Zurückgezogenheit. Da möchte man sich durchaus die berechtigte Frage stellen, warum es überhaupt zu so einem „psychischen Ausnahmezustand“ dieses jungen Menschen kommen konnte.

Über den Autor

Rechtsanwalt Björn Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht, für Gewerblichen Rechtsschutz sowie Informationstechnologierecht bei der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft.

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