Björn Thorben M. Jöhnke ist Gründer der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte. © Joehnke & Reichow
  • Von Redaktion
  • 06.01.2017 um 11:11
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lesedauer Lesedauer: ca. 04:30 Min

Ein Versicherer stellt die Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) ein, weil er der Ansicht ist, dass die neu aufgenommene Tätigkeit des Versicherten seiner „bisherigen Lebensstellung“ entspricht: Nachprüfungsverfahren im Rahmen der BU bergen regelmäßig Konfliktstoff. Welche Folgen ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Thematik hat, erläutert Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke.

Die rechtliche Würdigung des BGH:

Zwar ist die Beklagte zur erneuten Prüfung der Berufsunfähigkeit im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens der Berufsunfähigkeit berechtigt, nämlich ob eine andere Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wird, die aufgrund der Ausbildung und der Erfahrung ausgeübt werden kann und der bisherigen Lebensstellung entspricht. Jedoch stellt der BGH fest, dass die Voraussetzungen für die Leistungseinstellung nach den – jedenfalls – bisherigen Feststellungen nicht erfüllt sind:

Das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit setzt voraus, dass eben diese bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat. Ein Wegfall der Berufsunfähigkeit wegen einer Ver-weisung auf eine vergleichbare Tätigkeit setzt im Nachprüfungsverfahren voraus, dass der Versicherte diese tatsächlich ausübt. Diese andere Tätigkeit muss der bisherigen Lebensstellung der versicherten Person entsprechen. Diese wird vor allem durch die zuletzt in gesunden Tagen ausgeübte Tätigkeit geprägt. Ihre Berücksichtigung sondert Tätigkeiten aus, deren Ausübung deutlich geringere Fähigkeiten und Erfahrung erfordert als der bisherige Beruf.

Die Lebensstellung des Versicherten wird also von der Qualifikation seiner Erwerbstätigkeit bestimmt, die sich – ebenso wie die Vergütung dieser Tätigkeit – wiederum daran orientiert, welche Kenntnisse und Erfahrungen die ordnungsgemäße und sachgerechte Ausübung der Tätigkeit voraussetzt. Eine Vergleichstätigkeit ist dann gefunden, wenn die neue Erwerbstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert und in ihrer Vergütung sowie in ihrer sozialen Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufs absinkt.

Der Versicherte muss die konkreten Umstände darlegen

Die vom Versicherer zu treffende Entscheidung, ob die Leistungen wegen Wegfalls der Berufsunfähigkeit eingestellt werden können, erfordert einen Vergleich des Zustandes, der dem Leistungsanerkenntnis zugrunde liegt, mit dem Zustand zu einem späteren Zeitpunkt. Zwar ist es Sache des Versicherers im Nachprüfungsverfahren darzulegen und zu beweisen, dass der Versicherte nicht mehr berufsunfähig ist. Will der Versicherte jedoch geltend machen, dass die neu ausgeübte Tätigkeit nicht der bisherigen Lebensstellung entspricht, so obliegt es dem Versicherten die konkreten Umstände darzulegen, aus denen sich die fehlende Vergleichbarkeit ergeben soll.

Eine generelle Quote der hinzunehmenden Einkommenseinbuße lässt sich angesichts der Bandbreite individueller Einkommen nicht festlegen. Vielmehr ist stets eine einzelfallbezogene Betrachtung unerlässlich und geboten. Bei dem bedingungsgemäß vorzunehmenden Einkommensvergleich kommt es entscheidend auf die Sicherstellung der individuellen bisherigen Lebensumstände an. Dabei wirken sich prozentuale Einkommens- und Gehaltsminderungen – je nach Höhe des bisherigen Verdienstes – unterschiedlich belastend aus. Auch die hier gegebene Einkommenseinbuße von 22,77 Prozent wirkt sich bei einem niedrigen Bruttoeinkommen von 1.359,31 Euro wesentlich stärker aus als bei einem Bruttoeinkommen im mittleren oder höheren Bereich.

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