- Von Lorenz Klein
- 09.11.2020 um 13:34
Pfefferminzia: Sowohl die Rechtsprechung als auch der Wettbewerb unter den BU-Versicherern hätten bei einigen Tarifen zu transparenteren und verbraucherfreundlichen Regelungen im Umgang mit dem Thema Umorganisation geführt, berichten Sie auf Ihrer Website. Könnten Sie näher erläutern, wie sich diese Entwicklung beim Versicherten positiv bemerkbar gemacht hat beziehungsweise bemerkbar macht?
Gerd Kemnitz: Noch vor einigen Jahren galt eine Umorganisation bedingungsgemäß als zumutbar, „wenn sie wirtschaftlich und betrieblich zweckmäßig ist“. Die im Rahmen der Umorganisation ausübbare Tätigkeit musste lediglich aufgrund der Gesundheitsverhältnisse, der Ausbildung und Fähigkeiten zumutbar sein und der bisherigen Lebensstellung entsprechen. Weitere Konkretisierungen bezüglich Zumutbarkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit gab es nicht. Das hat nicht selten zu gerichtlichen Auseinandersetzungen geführt und zweifellos auch dem Ruf der Berufsunfähigkeitsversicherung geschadet.
Heute definieren viele BU-Versicherer eine Umorganisation als unzumutbar, wenn sich der Gewinn vor Steuern dadurch auf 80 Prozent oder weniger reduzieren würde. Immer mehr Versicherer verzichten auch bei Kleinstbetrieben bis 5 Mitarbeiter generell auf die Umorganisation. Vorreiter ist hier die Condor Lebensversicherung. Sie verzichtet auf eine Prüfung der Umorganisation, wenn der Betrieb bei Eintritt der Berufsunfähigkeit weniger als 10 Mitarbeiter beschäftigte. Einige Versicherer verzichten ebenfalls auf die Prüfung der Umorganisation, wenn der Betriebsinhaber über eine akademische Ausbildung verfügt und zu 90 Prozent kaufmännisch oder verwaltend tätig ist – auch wenn in diesem Fall eine Umorganisation schwierig werden dürfte.
Aber solche Konkretisierungen schaffen Transparenz und Vertrauen bei Verbrauchern. Nun wäre aber noch wünschenswert, dass die Versicherer auch die zumutbaren Kosten einer Umorganisation konkret definieren.
Deshalb sollten Makler Umorganisationsklauseln kritisch prüfen
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Pfefferminzia: Wie lauten die klassischen Hauptstreitpunkte, wenn sich Gerichte mit dem Thema Umorganisation/Umorganisationsklausel im Rahmen der BU befassen?
Kemnitz: Hauptstreitpunkte sind naturgemäß immer die Punkte, die in den Versicherungsbedingungen nicht eindeutig definiert sind. Und bei Selbstständigen geht es sehr häufig um die Möglichkeit und Zumutbarkeit der Umorganisation. So musste noch 2006 der Ombudsmann in seiner Empfehlung (Aktenzeichen: 4278/2005-J) klarstellen:
„Wenn ein selbständiger Elektroinstallationsmeister mit nur einem Angestellten zu gesunden Zeiten selbst umfassend körperlich mitgearbeitet hat, um seinen kleinen Handwerksbetrieb rentabel zu führen, und dessen handwerklich-körperliche Leistungsfähigkeit später fast völlig entfällt, ist eine Umorganisation seines Betriebes grundsätzlich nicht zumutbar.“
Insofern begrüße ich den Trend zum bedingungsgemäßen Verzicht auf Prüfung einer Umorganisation bei Selbstständigen mit Kleinstbetrieben.
Pfefferminzia: Eine verbraucherfreundliche Umorganisationsklausel sei nur ein Kriterium von vielen und garantiere keinesfalls schon eine gute Berufsunfähigkeitsversicherung für Selbstständige, lautet eine weitere Aussage von Ihnen. Wie bedeutsam würden sie die besagte Klausel im BU-Kriterienkatalog gewichten und welche weiteren Kriterien halten Sie für wichtig?
Kemnitz: Für Selbstständige – und solche, die es werden wollen – halte ich eine verbraucherfreundliche Umorganisationsklausel für sehr wichtig.
Aber ebenso wichtig können – je nach individueller Situation – beispielsweise auch folgende Kriterien sein: Rückwirkende Leistungen bei verspäteter Meldung ohne Einschränkungen, ein verkürzter Prognosezeitraum sowie rückwirkende Leistungen „von Beginn an“, Prüfung auf den zuletzt ausgeübten Beruf auch nach vorübergehendem oder vorzeitigem Ausscheiden aus dem Berufsleben sowie eine gute Arbeitsunfähigkeitsklausel und umfassende Nachversicherungsgarantien.
Außerdem: Nicht jeder Selbstständige bleibt dies auch sein ganzes Berufsleben. Dann werden für ihn weitere Kriterien wichtig – wie für jeden Arbeitnehmer auch.
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