Björn Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht, für Gewerblichen Rechtsschutz sowie Informationstechnologierecht bei der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte. © Jöhnke & Reichow
  • Von Redaktion
  • 17.05.2022 um 13:35
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Ist die Umorganisation eines Friseurbetriebes, die bei einem mitarbeitenden Friseurmeister dazu führt, dass sein zuvor ausgeübtes Handwerk vollständig wegfällt, unzumutbar? Auch dann, wenn es sich um einen größeren Betrieb handelt? Darüber musste das Oberlandesgericht Dresden entscheiden. Rechtsanwalt Björn Jöhnke fasst hier die Details zusammen.

Was war geschehen?

Der klagende Versicherungsnehmer ist Friseurmeister und unterhält bei der beklagten Versicherung eine Berufsunfähigkeitsversicherung, die zum 31. Januar 2027 planmäßig endet. Der Kläger ist seit 1993 als selbstständiger Friseurmeister tätig. Zuletzt betrieb er von 2003 bis 2015 einen Salon, in dem er wechselnd etwa 15 bis 19 Mitarbeiter beschäftigte.

Die dem Vertrag zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen enthalten unter anderem folgende Regelungen:

Paragraf 1 der AVB BUV

(1) Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfall, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens sechs Monate ununterbrochen zu mindestens 50 % außerstande ist, ihrem zuletzt vor Eintritt dieses Zustandes ausgeübten Beruf nachzugehen.

(2) Übt die versicherte Person jedoch nach Eintritt dieses Zustandes eine andere, ihre Ausbildung und Erfahrung sowie bisherigen Lebensstellung entsprechende Tätigkeit aus und ist sie dazu aufgrund ihrer gesundheitlichen Verhältnisse zu mehr als 50 % in der Lage, liegt keine Berufsunfähigkeit vor.

(4) Wird uns nachgewiesen, dass ein in Absatz 1 oder 3 beschriebener Zustand für einen Zeitraum von sechs Monaten ununterbrochen vorgelegen hat, gilt dieser Zustand von Beginn an als Berufsunfähigkeit.

Im Januar 2004 wurde der Kläger an der linken Hand wegen Fibromatose der Strecksehnen (gutartige Bindegewebswucherung) operiert. Im Juli 2014 stellte er sich unter anderem wegen Schmerzen in beiden Armen, die von der Halswirbelsäule bis in die Hände zogen und links stärker waren, bei seinem Hausarzt vor. Dieser stellte eine Arbeitsunfähigkeit fest –die Krankentagegeldversicherung des Mannes erbrachte daraufhin Leistungen. Diese teilte im Juli 2015 mit, dass sie die Zahlungen wegen Vorliegens einer Berufsunfähigkeit einstellen werde.

Der Kläger stellte daraufhin im Juli 2015 einen Antrag bei seinem BU-Versicherer auf Zahlung von Berufsunfähigkeitsrente. Der Versicherer lehnte seine Eintrittspflicht mit der Begründung ab, es sei dem Kläger eine Umorganisation seiner beruflichen Tätigkeiten möglich. Gegen die Leistungsablehnung reichte der Mann Klage ein. Das Landgericht Dresden gab der Klage statt. Der Versicherer ging daraufhin in Berufung.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden

Die Berufung des Versicherers hatte keinen Erfolg (OLG Dresden, Urteil vom 22. Februar 2022 – Aktenzeichen 4 U 1585/21). Zu Recht habe das Landgericht einen Anspruch des Klägers gemäß der Paragrafen 1, 3 AVB BUV gegen den Versicherer auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente bejaht. Dem Kläger sei der Beweis dafür, dass bei ihm Berufsunfähigkeit im Juli 2015 eingetreten ist, gelungen.

Letzte konkrete Berufsausübung ist maßgebend

Der Versicherungsnehmer habe sein Berufsbild ebenso wie die Einschränkungen in der Berufsausübung, die sich aus seiner Erkrankung ergeben, schlüssig dargelegt und auch zur Überzeugung des Senats im Sinne des Paragrafen 286 ZPO bewiesen. Dazu führte der Senat aus, dass grundsätzlich hierfür die letzte konkrete Berufsausübung maßgebend sei, so wie sie „in gesunden Tagen“ ausgestaltet war, das heißt, solange die Leistungsfähigkeit des Versicherten noch nicht eingeschränkt war.

Dazu müsse bekannt sein, wie das Arbeitsumfeld des Versicherten tatsächlich beschaffen ist und welche Anforderungen es an ihn stellt. Als Sachvortrag genüge dazu nicht die Angabe des Berufsbildes und der Arbeitszeit, vielmehr müsse eine ganz konkrete Arbeitsbeschreibung verlangt werden, mit der die anfallenden Tätigkeiten ihrer Art, ihres Umfangs und ihrer Häufigkeit nach für einen Außenstehenden nachvollziehbar werden.

Dabei dürfe nicht aus dem Blick geraten, dass die Klärung des Berufsbildes vornehmlich den Zweck verfolgt, dem Sachverständigen die notwendigen tatsächlichen Vorgaben zur medizinischen Beurteilung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit in die Hand zu geben, so das OLG Dresden.

Bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit des Klägers

Ferner sei dem Kläger auch der Beweis dafür gelungen, dass er seit August 2015 bedingungsgemäß berufsunfähig und zu mindestens 50 Prozent außerstande ist, seinem zuletzt ausgeübten Beruf nachzugehen. Die Ausführungen des Sachverständigen dazu seien – entgegen der Auffassung des Versicherers Beklagten – nicht allein deshalb unzureichend, weil sich ihnen nicht entnehmen lässt, ob und in welchem Umfang es dem Kläger noch möglich ist, trotz seiner konkreten krankheitsbedingten Leistungsminderung Tätigkeiten eines Friseurs auszuüben. Nach den Ausführungen des Sachverständigen könne der Kläger nämlich überhaupt keine handwerklichen Tätigkeiten als Friseur mehr ausüben.

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