- Von René Weihrauch
- 03.08.2021 um 21:18
Pfefferminzia: Laut einer Umfrage unter kleinen und mittleren Unternehmen bietet nur jeder vierte Betrieb seinen Beschäftigten eine betriebliche Krankenversicherung an. Warum hat es die bKV hier noch so schwer?
Udo M. Strenge: Dazu muss man sich anschauen, wie kleine und mittlere Betriebe funktionieren. Anders als in Großunternehmen gibt es hier oftmals keine eigene Personalabteilung, die sich um Dinge wie eine bKV kümmern kann. Oft haben Berater es mit kundenorientierten Dienstleistern zu tun, zum Beispiel mit Handwerkern, Einzelhändlern et cetera. Die scheuen als erstes schon mal den möglichen Verwaltungsaufwand, den sie – berechtigt oder unberechtigt – fürchten. Ein weiteres Schlüsselmoment ist die 44-Euro-Regelung bei der Steuerbefreiung…
… bis zu dieser Grenze müssen Arbeitnehmer die Zuwendung des Arbeitgebers nicht versteuern, da es sich um eine Sachleistung und keine Barzuwendung handelt…
…richtig. Bis das gesetzlich verankert wurde, gab es aber ein unendliches Hin und Her. Das hat viele Arbeitgeber verunsichert. Und es kommt hinzu: Die 44-Euro-Grenze bezieht sich auf die Summe aller Zuwendungen. So fallen zum Beispiel auch Tankgutscheine oder ein Firmenticket für den Öffentlichen Nahverkehr darunter. Die Steuerbefreiung ist also möglicherweise schon zu einem großen Teil ausgeschöpft. Das alles trägt dazu bei, dass es in kleineren Betrieben schnell heißt: Lassen wir lieber alles so, wie es ist.
52 Prozent der befragten Unternehmen gaben in der erwähnten Studie an, die Kosten für eine bKV seien ihnen zu hoch. Dabei liegen sie häufig unter einem Prozent der Lohn- und Gehaltssumme eines Unternehmens. Besteht hier schlicht ein Informationsdefizit?
Der Eindruck, eine betriebliche Krankenversicherung sei zu teuer, hat viel mit dem Beratungsansatz zu tun. Makler, die rein vertrieblich denken, machen aus meiner Sicht einen Fehler. Immer noch differenzierend einen weiteren Baustein mehr anzubieten, schreckt kleine und mittlere Unternehmer eher ab. Stattdessen sollten Vermittler sich vor der Beratung so gut wie möglich über den Betrieb informieren und schauen, ob und an welcher Stelle wirklich Bedarf besteht. Außerdem hängen die tatsächlichen Kosten für den Arbeitgeber auch stark vom jeweiligen Besteuerungsmodell ab. Je nach Modell kommen Lohnzusatzkosten in unterschiedlicher Höhe hinzu. Auch das sollte in der Beratung ehrlich besprochen werden.
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Wie gehen Makler am besten auf kleine und mittlere Betriebe zu? Was erwartet diese Zielgruppe, gerade im Unterschied zu großen Unternehmen?
Aus meiner Erfahrung ist es ein Problem, dass viele Makler nicht wissen, wie ein kleinerer Betrieb „tickt“. Ein Beispiel: in der bKV werden digitalisierte Prozesse allgemein als großer Fortschritt gesehen. Der Berater preist das also im Gespräch an, erklärt, wie einfach und schnell mit den neuen, digitalen Möglichkeiten alles geht. Tolle Sache! Da springen viele kleine Unternehmer aber sofort ab. Sie sind es gewohnt, an der Qualität ihrer Arbeit gemessen zu werden und nicht daran, wie viele Apps sie nutzen. Mein Tipp wäre also, auch alternative, „Old-School“-Möglichkeiten in der Kommunikation, Beratung und Abwicklung anzubieten. Dazu weisen viele externe „Lohnabrechner“ Defizite bei Lohnzusatzleistungen auf.
Unter welchen Voraussetzungen würden Sie als Mittelstandsvertreter eine bKV empfehlen?
Vor allem in Betrieben mit dem Ziel der nachhaltigen Mitarbeiterbindung, aber auch mit erhöhtem Krankenstand. Da ist eine bKV mit entsprechenden Leistungen sicherlich sinnvoll. Berater können hier mit den Kosten pro ausgefallenem Arbeitstag argumentieren. Jeder Tag, den beispielsweise ein Handwerker in einem kleinen Betrieb fehlt, kostet den Arbeitgeber mindestens rund 250 Euro, sei es durch den Umsatzverlust oder durch die Ausgaben für eine Ersatzkraft. Das ist gerade für kleinere Betriebe eine enorme Belastung.
Was muss aus Ihrer Sicht am Konzept der bKV noch verbessert werden?
Sie sollte vor allem einfacher werden. Zwei oder drei klare Bausteine statt ausufernder Differenzierung. Gesundheitsfragen sollten, dort wo es sie noch gibt, abgeschafft werden. Die Mindestanzahl an Versicherten liegt bei einigen Anbietern noch bei zehn – die sollte runter auf drei, damit auch wirklich die Masse der Betriebe erreicht wird. Ein Tool für Steuerberater, das zum Beispiel an DATEV angeknüpft ist, wäre hilfreich. Und als Forderung an die Politik: bei der Besteuerung müssen mehr Pauschalierungen ermöglicht werden.
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