Der coronabedingte Lockdown ist schon seit vielen Wochen vorbei – die Gerichte werden damit aber noch länger befasst sein. Stichwort: Betriebsschließungsversicherung. © picture alliance / Tobias Steinmaurer / picturedesk.com
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  • 02.09.2020 um 12:10
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Im Streit darum, ob und wann Versicherer für coronabedingte Betriebsschließungen einstehen müssen, herrscht aktuell eine Art Innehalten – im Verlauf des Septembers sind weitere Urteile zu erwarten. Der Hamburger Fachanwalt Stephan Michaelis fasst in seinem Gastbeitrag zusammen, was Makler zum aktuellen Stand beim Thema Betriebsschließungsversicherungen (BSV) wissen müssen.

Die Corona-Pandemie hat in vielen Wirtschaftszweigen weitreichende nachteilige Folgen – um so ärgerlicher sind die oftmals existenzbedrohenden Ausfälle für diejenigen, die glaubten, mit einer Betriebsschließungsversicherung für einen solchen Fall vorgesorgt zu haben, weil die Vielzahl der Versicherer entsprechend des häufigen Rufs der Branche eine Leistung verweigern und versuchen sich einer Regulierung zu entziehen. 

Momentan ist es ein wenig ruhiger um diese rechtlichen Streitigkeiten geworden. Vermutlich warten viele gespannt auf die ersten gerichtlichen Entscheidungen, die unter anderem vom Landgericht München für diesen Monat (September) avisiert wurden. Mit großer Spannung werden wir über weitere gerichtliche Entscheidungen berichten, glauben aber schon heute, dass noch nicht das letzte Wort gesprochen ist.

Versicherungsnehmer sollten auf jeden Fall sichergestellt haben, dass der Versicherer mit einem festen Datum in Verzug gesetzt wurde. Denn dann laufen bereits die attraktiven hohen Zinsen auf die berechtigte Versicherungsleistung. Insofern können sich noch viele Kunden die kommenden gerichtlichen Urteile in Ruhe ansehen und haben drei Jahre Zeit, ob die individuellen Ansprüche aus dem individuellen Versicherungsvertrag geltend gemacht werden sollen.

Ein kurzer Rückblick und eine rechtliche Einschätzung: 

Als Deckmäntelchen und vermeintlich generöse Geste sind eine Vielzahl von Versicherern bemüht, ihre Versicherungsnehmer, entsprechend des sogenannten Bayerischen-Modells, in eine vergleichsweise Einigung zu drängen, die sie als reine Hilfeleistung proklamieren, da eine Leistungspflicht nicht bestehe. Insoweit wird zumeist angeboten, 15 Prozent einer bedingungsgemäßen Entschädigung im Vergleichswege zu zahlen – für die meisten zum Leben, aber auch zum Sterben zu wenig – wobei der Versicherungsnehmer als besonderes „Bonbon“ damit auch im Hinblick auf etwaige künftige Ausfälle im Zusammenhang mit Corona  ein für alle Mal und bis zur nächsten Eiszeit abgefunden sein soll.

Oftmals wird dem Ganzen sogar noch der Gipfel dadurch aufgesetzt, dass für die Nichtannahme des Vergleichs die Kündigung des Versicherungsverhältnisses drohend in Aussicht gestellt wird.

Zumeist berufen sich Versicherer darauf, dass kein Versicherungsschutz bestehe, weil sich keine sogenannte intrinsische Gefahr verwirklicht habe, da nicht in dem versicherten Unternehmen eine im Vertrag genannte Krankheit beziehungsweise ein Krankheitserreger ausgebrochen sei und die zuständige Behörde den Betrieb nicht „deshalb“ geschlossen habe.

Auch wird häufig angeführt, dass die Aufzählung in den Versicherungsbedingungen im Hinblick auf Krankheiten und Krankheitserreger abschließend, das Corona-Virus dort aber nicht aufgeführt sei. Überdies beruhe die allgemein verfügte Schließung lediglich auf generalpräventiven Erwägungen.

Auf den durchschnittlichen Versicherungsnehmer kommt es an

Häufig gehen diese Einwendungen der Versicherer fehl, denn den meisten uns bekanntgewordenen Bedingungen für die Betriebsschließungsversicherung wegen Infektionsgefahr lässt sich aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers, auf dessen Sichtweise es nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundesgerichtshof ankommt (BGH VersR 2004, 1039), nicht entnehmen, dass der Krankheitserreger beziehungsweise die Krankheit im Betrieb selbst aufgetreten sein muss, eine intrinsische Gefahr findet sich dagegen nicht als Voraussetzung in den Versicherungsbedingungen niedergeschrieben.

Dort ist allgemein davon die Rede, dass der Versicherer Entschädigung leistet, wenn die zuständige Behörde auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes ganz allgemein beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger den versicherten Betrieb schließt. Diese Auffassung sehen wir durch ein zwischenzeitlich ergangenes Urteil des Landgerichts Mannheim vom 29. April 2020 (Aktenzeichen 11 O 66/20) bestätigt (Pfefferminzia berichtete).

Insoweit genügt es aus Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers, selbst wenn dies aus generalpräventiven Gründen geschieht, dass die behördliche Schließung auf dem Infektionsschutzgesetz beruht.

Zudem ist aus Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers auch die Aufzählung der meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserreger im Bedingungswerk nicht als abschließend anzusehen. Zwar ist dort oftmals auf „die Folgenden“ verwiesen, jedoch wird gleichzeitig Bezug genommen auf die Paragrafen 6, 7 Infektionsschutzgesetz und die dort (seinerzeit) gelisteten Krankheiten und Krankheitserreger sind (teilweise oder vollständig) aufgeführt.

Aus einer Gesamtschau kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer also davon ausgehen, dass Krankheiten oder Krankheitserreger, die im Infektionsschutzgesetz als meldepflichtig berücksichtigt wurden, den Versicherungsfall auslösen. Das Corona-Virus/Covid-19 ist mittlerweile meldepflichtig im Sinne des Infektionsschutzgesetzes.

Seite 2: LG Mannheim versus OLG Hamm

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