- Von Andreas Harms
- 29.01.2025 um 11:43
Die Versicherungsbranche ist mit ihrer Verfassungsbeschwerde zur Restschuldversicherung gescheitert. Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts erklärte sie für unzulässig. Die Beschwerdeführer hätten zunächst den Rechtsweg vor den Fachgerichten beschreiten müssen, heißt es als Begründung (Grundsatz der Subsidiarität). Heißt frei übersetzt: Völlig unabhängig vom Inhalt der Beschwerde fühlt sich das Verfassungsgericht dafür (noch) nicht zuständig.
Eingereicht hatte die Verfassungsbeschwerde der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zusammen mit 22 Unternehmen aus der Versicherungsbranche (die als Beschwerdeführer bezeichnet sind). Entsprechendes hatten sie im Juli bereits verkündet.
Die Beschwerde richtet sich gegen einen Teil des Zukunftsfinanzierungsgesetzes. In Artikel 32 Nummer 2 geht darum, dass Kreditnehmer erst frühestens eine Woche nach dem Darlehensvertrag eine Restschuldversicherung abschließen dürfen. Der Paragraf 7a Absatz 5 des Versicherungsvertragsgesetzes wird somit geändert. Cooling-Off-Phase nennt man diese Wochenfrist, und die haben vor allem Verbraucherschützer gefordert. Sie halten die Policen oft für überflüssig und zu teuer.
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Die 22 Beschwerdeführer hingegen argumentieren, dass der Artikel gegen Unionsrecht verstoße. Und er greife unverhältnismäßig stark in die unternehmerische Freiheit, Berufsfreiheit und die allgemeine Handlungsfreiheit ein.
Außerdem hält man die Cooling-Off-Phase sogar für gefährlich. Denn Restschuldversicherungen übernehmen fällige Kreditraten, wenn Kreditnehmer wegen Arbeitslosigkeit oder -unfähigkeit nicht zahlen können. Muss man mit der Police eine Woche warten, kann es im Extremfall Probleme geben, so das Argument.
Doch offenbar hatten sie ihre Beschwerde eine Nummer zu hoch angesetzt. Denn in der Begründung verweist das Bundesverfassungsgericht darauf, dass sie zunächst „eine verbindliche Auskunft in Gestalt einer Weisung der Aufsichtsbehörde“ hätten einholen können oder gar müssen. Und zwar, ob sie den neu gestalteten Paragraf seit Jahresbeginn anzuwenden haben, ob er wirklich wie behauptet gegen Unionsrecht verstößt und ob die Vorschrift auch über den 20. November 2026 hinaus anzuwenden ist. Dass das oder auch der Gang vors Fachgericht aussichtslos sei, hätten die Unternehmen aber nicht dargelegt.
Aufgabe der Fachgerichte
Wörtlich heißt es vom Gericht: „Denn es ist vornehmlich Aufgabe der Fachgerichte, entscheidungserhebliche unionsrechtliche Fragen aufzuarbeiten und zu prüfen, ob eine Normenkollision mit unionsrechtlichem Fachrecht besteht.“
Der GDV betont auf Anfrage, dass das Bundesverfassungsgericht gar nicht über den Sachverhalt selbst entschieden hat. Vielmehr fühlt er sich durch bestimmte Zeilen im Beschluss sogar bestätigt. So teilt eine Sprecherin mit:
„Im Unionsrecht ist geregelt, dass Darlehens- und Restschuldversicherungsvertrag ‚in einem Paket‘ abgeschlossen werden können. Das Bundesverfassungsgericht deutet im Beschluss an, dass dies für einen gleichzeitigen Abschluss beider Verträge spricht. Dies entspricht der Rechtsaufassung des GDV.“
Bei der Frage, wie es nun weitergeht, verweist die Sprecherin an die 22 Beschwerdeführer. Sie müssten darüber entscheiden. „Der GDV wird sich bei der Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie dafür einsetzen, dass das aus unserer Sicht europarechtswidrige Cooling-Off wieder aufgehoben wird“, so die Sprecherin.
Anmerkung von 13.20 Uhr: In der ursprünglichen Fassung des Artikels lag noch keine Stellungnahme des GDV vor. Wir haben sie nachträglich ergänzt.
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