Uwe Kirchgatter ©
  • Von Redaktion
  • 01.09.2014 um 15:05
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Uwe Kirchgatter, operativer Chef und Aufsichtsratsmitglied von Invensys Asset Management erklärt, worauf sich Finanzdienstleister nach dem Inkrafttreten von Mifid II einstellen müssen.

Von Uwe Kirchgatter

Manchen Vermögensverwaltern und Kapitalanlagevermittlern mag es wie ein Gespenst vorkommen: Es taucht immer mal wieder auf, ist wenig greifbar, etwas unscharf und lässt so manchen erzittern. Die Rede ist von Mifid II, der überarbeiteten Fassung der 2004 vorgestellten und 2007 umgesetzten Finanzmarktrichtlinie „Markets in Financial Instruments Directive“ (Mifid).

Im Oktober 2011 legte EU-Kommissar Michel Barnier einen 196 Seiten umfassenden Entwurf zur Neuauflage vor. Auslöser für diese Überarbeitung war die bekannte Finanzmarktkrise. Seitdem ist Mifid II ein Thema. In regelmäßigen Abständen wurde die eine und die andere Seite gehört, darüber diskutiert, Neues vor- und eingebracht.

Bis 2016 muss Mifid II umgesetzt sein

Im Januar 2014 einigten sich die sogenannten Trilog-Parteien, bestehend aus dem Europäischen Parlament, dem Europäischen Rat und der Europäischen Kommission in Straßburg, über die Aktualisierung der Vorschriften für Finanzinstrument-Märkte, welche die Funktionsweise der Kapitalmärkte zugunsten der Realwirtschaft verbessern sollen.

Am 3. Juli 2014 trat die Neufassung der Mifid in Kraft. Bis zum 3. Juli 2016 haben die Mitgliedsstaaten damit Zeit, die Richtlinie umzusetzen. Für Deutschland wird die Umsetzung bereits für 2015 erwartet. Ab 3. Januar 2017 sind die neuen Regeln spätestens anzuwenden. Doch noch immer ist vielen Marktteilnehmern unklar, ob und in welcher Weise die Neuerungen ihr Geschäft betreffen und beeinträchtigen.

Mifid II richtet sich in erster Linie an Wertpapierdienstleistungsunternehmen mit einer Zulassung nach § 32 KWG, betrifft aber auch die Vermittler, die über ein Haftungsdach mit entsprechender Lizenz vermitteln. Für die meisten Vermögensverwalter dürften die neuen Regeln für Handelsplattformen und Over-the-Counter-Geschäfte (OTC) weniger relevant sein.

Auch die Regulierung des automatisierten Computerhandels, insbesondere des Hochfrequenzhandels, dürfte die Vermittler und die meisten Verwalter kaum tangieren.

Auch Telefonate mit Kunden aufzeichnen

Mifid II bringt insbesondere neue Organisationspflichten für Vermögensverwalter mit sich. Das beginnt auf der obersten Führungsebene. Zwei Geschäftsleiter müssen detaillierten Qualifikationsanforderungen genügen und auch für Aufsichtsräte muss sichergestellt sein, dass hinreichende personelle und zeitliche Ressourcen vorhanden sind. Die Zahl der erlaubten Aufsichtsratsmandate wird auf vier beschränkt. Führungspositionen müssen nach Alter, Geschlecht, Ausbildung, Beruf und Herkunft diversifiziert werden.

Bereits die erste Fassung der Mifid-Richtlinie sah weitreichende Dokumentationspflichten vor. Nach der neuen Fassung sollen nun auch Telefonate mit Kunden aufgezeichnet und elektronische Mitteilungen gespeichert werden, wenn es um den Handel für Kunden oder auf eigene Rechnung geht. Das bedeutet für viele Vermögensverwalter und Vermittler einen enormen zusätzlichen Aufwand für die IT und das Back Office.

Drei Welten in der Beratung

Das zwischenzeitlich drohende Provisionsverbot ist zwar bis auf weiteres vom Tisch und aus dem Mifid-II-Entwurf verschwunden. Provisionen sind jedoch nur erlaubt, solange die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass sie transparent ausgewiesen werden und der Kunde darüber informiert wird.

Dennoch ist es absehbar, dass es in der Anlageberatung und -vermittlung künftig drei Welten geben wird:

  • Ausschließlichkeitsvertrieb durch angestellte Berater und Vermittler
  • Freie Makler und Berater auf Provisionsbasis
  • Unabhängige Finanzberater auf Honorarbasis

Variante 1 wird vor allem von großen Vermögensverwaltern praktiziert werden, die ihre verwalteten Vermögen in großen Fonds zusammenschließen und über eine eigene Vertriebsorganisation verfügen. Solche Anbieter verwalten in der Regel Assets under Management von mehr als 500 Millionen Euro.

Unabhängigkeit als Verkaufsargument entfällt

Nichtangestellte Makler und Finanzberater, die Produkte mehrerer Anbieter vermitteln, dürfen sich künftig nicht mehr unabhängig nennen, wenn sie Provisionen beziehen. Diese müssen ohnehin offen gelegt werden. Für viele freie Anlagevermittler und Finanzvertriebe war ihre Unabhängigkeit ein starkes Verkaufsargument. Künftig müssen sie ohne dies auskommen, wenn sie dieses Vergütungsmodell beibehalten wollen.

Unabhängig dürfen sich künftig nur Finanzberater und Vermögensverwalter nennen, die die verwalteten Vermögen über diverse Finanzinstrumente und Emittenten streuen und keine enge Verbindung zu den Anbietern unterhalten. Sie müssen ein eigenes, unabhängiges Research und Monitoring unterhalten und nachweisen, dass sie aus einem breiten Marktangebot den individuellen Kundenbedürfnissen entsprechende Produkte ausgewählt haben.

Dabei dürfen sie keinerlei Zuwendungen von dritter Seite erhalten. Erlaubt ist also reines Honorargeschäft. Etablierte Family Offices und Vermögensverwalter erfüllen diese Voraussetzungen meist ohnehin schon.

Die Kleinen und die Großen haben’s gut

Was bedeuten all diese kommenden Anforderungen für die Zunft der Vermögensverwalter und Anlageberater? Große Anbieter von vermögensverwaltenden Fonds werden sich künftig auf ihre eigenen Produkte beschränken und eine Streuung nur innerhalb der Produkte darstellen. Sie werden die Vermittlung der Produkte über eigene exklusive Vertriebsorganisationen bewerkstelligen.

Kleine Vermögensverwalter mit Assets under Management unter 100 Millionen Euro werden tendenziell die wenigsten Schwierigkeiten haben, ihr Gebührenmodell auf Honorarberatung umzustellen – sofern sie nicht ohnehin schon auf Honorarbasis tätig sind. Nichtsdestotrotz werden die erweiterten Dokumentationspflichten und organisatorischen Anforderungen für diese Manufakturen höhere Fixkosten-Belastungen auslösen, die vielleicht nicht jeder Marktteilnehmer tragen können wird.

Den mittelgroßen geht es an den Kragen

Die größten Probleme werden jedoch die mittleren Vermögensverwalter und Vertriebsorganisationen haben. Sie sind zu groß, um Ihr Geschäftsmodell einfach auf Honorarberatung umstellen zu können und zu klein um eigene Produkte in hinreichender Größe und Menge auflegen zu können.

Als „unabhängig“ dürfen sie sich aber auch nicht bezeichnen, womit ihnen ihr stärkstes Argument genommen wird. In der Folge werden ihre Umsätze bei steigenden Fixkosten durch die zunehmenden regulatorischen Anforderungen zurückgehen. Einen Ausweg aus dieser klassischen „stuck in the middle“-Situation könnten Kooperationen und Zusammenschlüsse bieten.

Alles in allem dürfte die Umsetzung der Mifid II-Richtlinie in nationales Recht zu einer Konsolidierung in der Branche der Vermögensverwalter und Anlagevermittler führen.

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