- Von Redaktion
- 12.10.2022 um 10:54
Kommt Ihnen das folgende Szenario genauso bekannt vor wie uns? Anstatt sich in Ruhe hinzusetzen, um einfach mal nachzudenken, verlieren wir uns in Diskussionen, die höchstens an der Oberfläche kratzen und übernehmen Ansätze, die wir in ihrem Kern nicht verstanden haben. Dahinter versteckt sich der sogenannte Cargo-Kult.
Dieser offenbart sich überall – ob in unserer reflexartigen Empörung über die Tagespolitik oder unserer Selbstgefälligkeit, wenn wir uns wieder einmal für eine „gute Sache“ eingesetzt haben, ohne eine wirkliche Veränderung zu bewirken. In diesem Beitrag erklären wir, was der Cargo-Kult ist, warum wir ihm alle regelmäßig verfallen und wie wir gemeinsam etwas schaffen können, das Wert hat.
„Die Vergütung von Vermittlern ist und bleibt ein Politikum“
Die Simulation von echtem Wandel oder: Was ist ein Cargo-Kult?
Wir alle kennen sie, die berühmt-berüchtigten Kickoffs, Brainstormings und Strategiesitzungen. Dabei geht es mal darum, in den sozialen Medien genauso erfolgreich zu sein wie die Konkurrenz („Müssen wir jetzt auch auf Tiktok posten?“) und ein anderes Mal darum, in Google-Ads-Kampagnen zu investieren. Doch welche dieser Überlegungen sind Pseudo-Projekte und blinder Aktionismus und welche Maßnahmen simulieren nicht nur Wandel, sondern stoßen ihn tatsächlich an?
„Etwas Zentrales wurde nicht verstanden“
Cargo-Kulte entstehen, wenn man beobachtete Rahmenbedingungen richtig steckt, aber das wesentlich Erhoffte nicht geschieht, weil etwas Zentrales nicht verstanden wurde. Ja, die Konkurrenz erstellt vielleicht jeden Tag großartige Social-Media-Posts und Tiktok-Videos, aber das bedeutet nicht, dass das Posten auf Social Media die Lösung schlechthin ist und deshalb jetzt jeder Videos produzieren sollte.
Verhaltensweisen zu imitieren, ohne zu verstehen, warum beispielsweise die Konkurrenz tatsächlich so erfolgreich ist, in der Hoffnung, die gleichen Ergebnisse zu erzielen, funktioniert nicht. Das Beispiel zeigt: Digitalisierung ist kein Ziel, sondern ein Werkzeug, das gekonnt eingesetzt werden kann.
„Damit wir nicht arbeiten müssen“
Klassische Management-Cargo-Kulte, denen wir in unserer Branche gerne folgen, gibt es wie Sand am Meer. Diese sind nicht rein negativ zu bewerten, schließlich steckt in ihnen eine große Hoffnung; die Hoffnung auf Wirksamkeit, obwohl die dafür notwendigen Maßnahmen nicht konsequent umgesetzt wurden. Unter die gleiche Kategorie fällt eine Art, die man gewagt „Business-Pornografie“ nennen könnte. Sie zeigt sich in Form von Artikeln oder Ratgebern, die Titel tragen wie „10 Dinge, die du tun musst, um erfolgreich zu sein“. Man könnte fast sagen, dass wir Menschen Cargo-Kulte schaffen und Pseudo-Projekte durchführen, damit wir nicht arbeiten müssen – zumindest nicht so, dass eine echte Veränderung stattfindet.
Besonders wenn es um Cargo-Kulte geht, können wir uns alle an die eigene Nase fassen. Nobody’s perfect, wie man so schön sagt. Doch weil ausnahmslos alle Menschen – ja, auch Sie und ich – dem Cargo-Kult zum Opfer fallen, lohnt es sich erst recht nicht, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Drehen wir den Spieß also einfach um und nutzen wir das Erkennen von Cargo-Kulten in unserem Alltags- und Berufsleben, um uns Denkanstöße zu holen.
Doch woher kommt eigentlich der Begriff des Cargo-Kults?
Weitgereiste Lebensmittel gibt es auch heute noch. Fisch, Mangos und Spargel werden per Flugzeug angeliefert, damit wir sie in unserem Lieblings-Supermarkt um die Ecke finden können. Im Zweiten Weltkrieg setzte auch das amerikanische Militär Frachtflugzeuge ein, und zwar auf Melanesien. Für die sichere Landung dieser Flugzeuge hatte das US-Militär auf den kleinen Inseln im Pazifik Landebahnen und Türme gebaut, um dort Materialien und Lebensmittel zwischenzulagern. Um sich die Inselbewohner nicht zu Feinden zu machen, überlies das Militär ihnen Lebensmittel und andere Waren als Geschenke.
Die Eingeborenen standen staunend neben den Start- und Landebahnen, hielten die ankommenden Flugzeuge für etwas Göttliches und sagten sich, dass die Amerikaner sehr mächtige Ahnen haben müssen – schließlich konnten sie durch ihre Vorbereitungen Flugzeuge mit Waren anlocken. Nach Abzug des US-Militärs nahmen die Bewohner Melanesiens die Dinge selbst in die Hand. In religiös einwandfreier Logik bauten sie daher nach Abzug des Militärs ebenfalls Landebahnen und Türme und beteten von dort aus zu ihren Ahnen – diese sollten Flugzeuge mit Nachschub schicken.
0 Kommentare
- anmelden
- registrieren
kommentieren