- Von Redaktion
- 26.04.2015 um 18:24
Pfefferminzia: Die Politik hat es sich zum Ziel gesetzt, die Honorarberatung zu stärken. Manche Experten rechnen langfristig mit einem Provisionsverbot für Investmentfonds und Altersvorsorge-Produkte, wie es in Großbritannien oder den Niederlanden bereits praktiziert wird. Dabei argumentieren sie mit einer höheren Beratungsqualität und dem Fehlen von Interessenkonflikten.
Otto Lucius: Interessenkonflikte wird es auch ohne Provisionsberatung geben. Der Berater hätte zwar keinen Anreiz, dem Kunden Produkte mit den höchsten Provisionen zu verkaufen. Andererseits könnte er an einer längeren Beratung interessiert sein. Kommt also ein Kunde mit einer Frage zu ihm, die in zwei Minuten mit einem simplen Ja oder Nein beantwortet wäre, könnte er ihn in ein längeres Gespräch über Feinheiten der Asset Allocation oder Ähnliches verwickeln. Das Gespräch würde zwar auf das gleiche Ergebnis wie die Kurzantwort hinauslaufen, aber das Honorar wäre wesentlich höher.
Gibt es auch andere Aspekte, die gegen ein Provisionsverbot sprechen?
Ja. Bei einem Provisionsverbot würde ein Großteil der Bevölkerung überhaupt keine Finanzberatung mehr in Anspruch nehmen. So zeigte sich bei einer Umfrage in Österreich die überwiegende Mehrheit nicht bereit, für Anlageberatung überhaupt Geld zu zahlen. Ein Teil der Zahlungswilligen würde nur ein Honorar von nicht mehr als 20 Euro akzeptieren. Lediglich 5 Prozent der Befragten wären bereit, 100 Euro für eine Finanzberatung zu zahlen. In Deutschland dürfte die Zahlungsbereitschaft ähnlich niedrig sein. Wer könnte denn bei solchen Stundensätzen gewinnbringend arbeiten?
Wohl niemand. War es den Befragten wenn nicht klar, dass sie im Gegenzug alle Provisionen und sonstige Kosten ihrer Finanzprodukte erstattet bekommen?
Das ist ein weiteres Problem der Honorarberatung in Deutschland und Österreich. Denn die Kunden erhalten die Kick-Backs, die ihr Berater bekommt, zwar zurück. Doch sie müssen diese versteuern – und dürfen das Beratungshonorar nicht gegenverrechnen. Da finden es viele doch einfacher, Provisionen zu zahlen. Es kommt bei der Finanzberatung also weniger auf das Entlohnungsmodell als vielmehr auf die Qualifikation und ethischen Standards des Beraters an.
Stellen Sie sich vor, ein Verwandter, zum Beispiel Ihr Neffe, hat gerade sein Abitur erfolgreich bestanden und will nun Finanzberater werden. Welchen Werdegang würden Sie ihm empfehlen?
Erst sollte er prüfen, ob er eine hohe Leidensfähigkeit hat. Schließlich ist das Umfeld gerade alles andere als einfach.
Vorausgesetzt, er hat sie: Soll er nun besser Wirtschaftswissenschaften studieren oder eine Ausbildung machen?
Das kommt auf die Persönlichkeit an – und darauf, in welchem Bereich man später arbeiten will. Wer zum Beispiel eine Karriere im Investmentbanking anstrebt, sollte studiert haben. Für einen reinen Finanzberater hingegen ist ein Studium nicht unbedingt notwendig: Rund die Hälfte aller Finanzberater hat eine Lehre gemacht. Geschadet hat es ihnen nicht – ganz im Gegenteil. Denn während die meisten Abiturienten in die Hochschulen strömen, fehlen der Wirtschaft gut ausgebildete Fachkräfte. Dabei ist die in Deutschland und Österreich praktizierte duale Ausbildung im Betrieb und in der Berufsschule ein wunderbares System. Leider gelingt es der Politik derzeit nicht, es für junge Menschen attraktiv zu machen. Im Studium hingegen bekommen die Studierenden zwar viel Wissen vermittelt, aber der Praxisbezug fehlt. Wer in die Finanzberatung will, sollte daher an sein Studium eine Weiterbildung anhängen, etwa zum Certified Financial Planner (CFP).
Was kann ein Hochschulabsolvent denn in einem CFP-Lehrgang Neues lernen?
Die ganzheitliche Beratung. Denn man spricht zwar immer von der Anlageberatung, vergisst dabei aber, dass der Kunde zunächst einmal sein Leben, seine Arbeitsfähigkeit und Ähnliches absichern muss, bevor es ans Geldanlegen geht. In einem CFP-Lehrgang sind alle diese Aspekte vereint.
Wer im Private Banking eine steile Karriere machen will, sollte aber besser ein Zertifikat als Chartered Financial Analyst (CFA) vorweisen, heißt es bei vielen Karriere-Coaches. Zu Recht?
Nein. Mit CFA allein macht man im Private Banking keine Karriere. CFA ist zwar eine anspruchsvolle Ausbildung, aber sie richtet sich eher an diejenigen, die im Finanz-Research oder im Asset Management arbeiten wollen. Die Grundlagen der Beratung hingegen stehen beim CFA-Lehrgang genauso wenig auf dem Programm wie nationale Rechtsgrundlagen und Regulierungsvorschriften. Und bevor man das alles nach der Ausbildung zusätzlich lernen muss, kann man ja gleich einen CFP-Lehrgang machen.
Wie sah Ihr eigener Bildungsgang aus?
Ich hatte zwei Studiengänge absolviert – Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Danach wechselte ich auf die Seite der Lehrenden und habe selbst Ausbildungen für angehende Bankberater, Börsenhändler und ähnliche Positionen konzipiert.
Worauf haben Sie dabei besonders viel Wert gelegt?
Auf eine bereichsübergreifende Ausbildung. Ich habe zum Beispiel nie einen Börsenhändler ins Berufsleben entlassen, der nicht auch in Rechtsfragen fit ist. Denn Absolventen müssen Generalisten sein – die Spezialisierung kommt im Lauf des Berufslebens von selbst.
Otto Lucius ist Geschäftsführer des Banking Education and Examination Centre (BEC), Professor und Lektor am Institut für Banken und Finanzierung an der Universität Graz sowie Leiter des österreichischen Verbands Financial Planners. Kurz nach seinem Studium der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften in den 70er Jahren wechselte Lucius auf die Ausbilderseite. Er war Fachbereichsleiter an der Fachhochschule Wiener Neustadt und Dozent an den Universitäten Graz und Liechtenstein. Außerdem leitete er bis Ende 2014 mehr als 30 Jahre lang die österreichische Bankwissenschaftliche Gesellschaft.
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