Stephan Busch (links) und Tim Schreitmüller (rechts) von CoachMeNetto interviewen Menschen aus der Branche zum Thema Unternehmertun. Dieses Mal: Stefan Gierschke. © CoachMeNetto/Finanzplan
  • Von Redaktion
  • 03.07.2024 um 13:23
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„Mit Vision – Auf dem Weg zum Unternehmer“ ist eine Interviewreihe, die Stephan Busch und Tim Schreitmüller von CoachMeNetto exklusiv mit Pfefferminzia teilen. Hier enthüllen Pioniere der Branche aus erster Hand die Höhen und Tiefen des Unternehmertums. Der Gast heute: Finanzexperte Stefan Gierschke.

Welchen Wunsch hast du an die Politik?

Gierschke: Wie viele Wünsche darf ich äußern? Kleiner Spaß. Meine Ideen und Gedanken sind divers. Wenn ich mich jetzt auf die FDL konzentriere, dann wünsche ich mir mehr Sinn und Verstand in der Regulatorik. Oft stelle ich mir die Frage, wie oft das „Entscheiderteam“ beim Kunden gesessen und Praxiserfahrung gesammelt hat. Beziehungsweise wie viele Entscheidungen auf dem Reißbrett entstehen, durch blanke Theorien und viele Annahmen. Ich würde gerne wissen, ob und von wo die Politik Feedback aus Vertrieben bekommt. Viele Themen sind gut gemeint. Zum Beispiel der Schutz der Kunden und Dokumentationspflichten. Aber die Umsetzung hinkt und ist mehr lästige zusätzliche Arbeit anstatt Erleichterung für alle Beteiligten. Vom Thema ESG darf ich gar nicht anfangen. Das ist ein einziges Desaster. Viel gut gemeinte Theorie, ganz wenig umsetzbare Praxis.

Ich bin fest überzeugt von meiner Dienstleitung und dem Mehrwert, den ich dem Kunden gebe.

Mal ganz provokant gefragt: Enthält in deinen Augen die Aussage, dass wir in der Branche nicht den „Arsch in der Hose“ haben, den Kund:innen klar zu sagen, was wir kosten und was unsere Dienstleistung wert ist, einen wahren Kern?

Gierschke: Ja und Nein. „Wir“ muss natürlich definiert werden. Ich fühle mich davon nicht angesprochen, da es auf mich schlichtweg nicht zutrifft. Ich liebe diese Gespräche und diese Transparenz. Weil ich fest überzeugt bin von meiner Dienstleitung und dem Mehrwert, den ich dem Kunden gebe. Aber diese Sicherheit hat nicht jeder. Ich merke, wie sich viele zwar über Provisionen oder Honorare freuen und die Verdienstmöglichkeiten in der Branche eine große Motivationsspritze ist. Dennoch schämt man sich gegenüber dem Kunden? Das ist doch absurd. Machen Anwälte und Steuerberater doch auch. Und da nehmen wir das als gegeben hin. Diejenigen, auf die das zutrifft, müssen sich vergegenwärtigen, was sie da leisten. Oder eben nicht leisten. Denn wenn es keine echte Leistung gibt, dann sollten sie sich auch schämen. Unterm Strich sage ich: Ja, lasst uns den „Arsch in der Hose“ haben und dazu stehen, was wir verdienen. Meine Dienstleistung hat einen Wert. Den kann ich beziffern.

Als Vorteil der Honorarberatung wird immer wieder das Thema der Stornofreiheit genannt. Siehst du dies auch so oder geht es letztendlich um andere Vorteile?

Gierschke: Kommt ganz auf die Perspektive an. Aus der kurzfristigen Perspektive des Beraters kann das ein wichtiger Vorteil sein. Stelle ich den Kunden und dessen Perspektive in den Mittelpunkt, ist Stornofreiheit komplett irrelevant. Der Kunde spürt den Vorteil anders. Zum Beispiel, dass er sehr schnell eine Entwicklung in seiner Geldanlage sieht, vor allem bei Versicherungssparplänen. Da geht nicht gefühlt die Hälfte vom Beitrag erstmal für Kosten weg und hinterlässt ein mulmiges Gefühl. Der Kunde sieht direkt die hoffentlich positive Entwicklung und wird dadurch auch positiv in seiner Kaufentscheidung bestätigt. Dieser Kunde denkt automatisch darüber nach, ob er noch mehr Geld anlegen möchte. Dieser Kunde empfiehlt aktiver weiter. Er verknüpft die Beratung mit positiven Erlebnissen.

Ich lebe mit dem Mindset, dass für mich die „wahre“ Wertschätzung vom Kunden nicht durch das Begleichen einer Rechnung kommt, sondern durch eine gute Empfehlung an Freunde und Bekannte.

Mit der Implementierung von Servicepauschalen und Honoraren soll die Wertschätzung von Kunden gegenüber der Arbeit von Maklern steigen. Woran könnte diese vermehrte Wertschätzung in deinen Augen liegen?

Gierschke: Ich weiß gar nicht, ob ich da der beste Ansprechpartner bin. Ich bin mir nicht sicher, ob neben der Abschlussprovision und der eventuellen Bestandsprovision das Begleichen einer weiteren Rechnung etwas mit Wertschätzung zu tun hat. Unterm Strich vielleicht schon. Ich stehe dem Thema Servicepauschalen dennoch kritisch gegenüber. Manchmal frage ich mich, ob sie nicht auch die Gier der Vermittler stillt. Mit der Aussage mache ich mir sicher keine Freunde. Aber das Problem besteht ja meist darin, dass jeder Vermittler von sich selbst behauptet, der „beste Berater aller Zeiten“ zu sein. Er leistet den krassesten Service. Ich bin knapp 15 Jahre in der Branche, habe viel gesehen. Die allermeisten kochen nur mit Wasser. Ich sehe viel gute Außendarstellung und gutes Marketing. Oft steckt keine Raketenwissenschaft dahinter.

Ich lebe mit dem Mindset, dass für MICH die „wahre“ Wertschätzung vom Kunden nicht durch das Begleichen einer Rechnung kommt, sondern durch eine gute Empfehlung an Freunde und Bekannte. Daran merke ich, ob er wirklich mit mir zufrieden ist. Denn nur dann wird er mich weiterempfehlen.  

Das ist aber nur meine bescheidene Meinung und keine allgemeingültige Wahrheit. Ich sehe eine Daseinsberechtigung in manchen Feldern, wie zum Beispiel der Umdeckung von alten PKV-Verträgen oder bei Gewerbemaklern, die einen ganz anderen Aufwand mit Kunden haben als ein klassischer Privatkundenberater. Ich bin zwiegespalten, sehe es aber als interessantes Feld an.

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