- Von Peter Schmidt
- 07.08.2023 um 13:20
Greifen wir zunächst die Pflicht eines Verkäufers eines Maklerbestandes oder einer Maklerfirma zur Offenlegung wesentlicher Aspekte des Kaufobjektes auf, darunter Angaben zu Umsätzen, Erträgen oder eben auch der gesetzlichen Pflichten zur Dokumentation auf. Diese Pflichten beim Verkauf sind nicht neu.
Bereits in einem Urteil des BGH vom 18. März 1977 (Aktenzeichen I ZR 132/75) wird auf Gewährleistungs- und mögliche Schadenersatzansprüche bei unrichtigen Angaben bei Abschluss des Kaufvertrages eingegangen. Natürlich gab es damals die Dokumentationspflicht im Bereich Makler so nicht, aber der Grundsatz dieser Entscheidung ist auch heute noch bei Mängeln des Unternehmens anzuwenden.
Gefahr der nachträglichen Kaufpreisminderung
Würde ein Makler beim Verkauf seines Bestandes oder seiner Firma nicht transparent darstellen, dass die Dokumentation der Beratung bei seinen Kunden nicht vorliegt oder mangelhaft ist, dann würde die Gefahr einer nachträglichen Kaufpreisminderung steigen. Selbst ein Rückzug auf das Argument, dass der Käufer sich durch eine angemessene Due Diligence mit dem Kaufobjekt tiefergehend hätte befassen können, zieht aus Sicht der vorvertraglichen Aufklärungspflichten nach Meinung von Gerichten nicht mehr.
Das Fehlen einer Dokumentation bleibt solange ein theoretischer Mangel, solange kein Kunde den Versicherungsmakler wegen Falschberatung in Anspruch nimmt. Erfolgt das aber in einem Bestand nur durch einen Kunden, dann wird der Makler darlegen müssen, in welcher Weise er seinen Beratungs- und Informationspflichten nachgekommen ist. Kann er das nicht, dann steht die schon beschriebene Beweislastumkehr an. Der Versicherungsnehmer wird es leichter haben, seine Version der Beratung vor Gericht durchsetzen zu können.
Auswirkungen von einem Fall unter tausenden
Der theoretische Fall, das schwebende Risiko, aus mangelhafter Dokumentation wird auf diesem Wege zu einem negativen Wert- und Preisfaktor für Makler, die ihr Lebenswerk verkaufen wollen. Bei einem Maklerbestand von 1.000 Kunden mit beispielsweise 3.000 Verträgen könnte die Inanspruchnahme von nur einem Bruchteil der Kunden bereits zu einem existenziellen Risiko für den Käufer führen.
Eine solche Situation hat zwei Facetten: Die Transparenz beim Verkauf und die Abbildung des Risikos im Kaufpreis. Jedem Verkäufer eines Bestandes oder einer Maklerfirma ist anzuraten, dass …
- Mängel in der Dokumentation,
- durch die VSH nicht abgedeckte Produktverkäufe und Beratungskonzepte,
- erkannte Anbieter- und Produktprobleme sowie bereits
- vergangene Auseinandersetzungen mit Kunden …
… transparent in den Verkaufsverhandlungen sowie auch im Kaufvertrag abzubilden sind.
Machen Sie sich dabei klar, dass ein Käufer ungefragt davon ausgehen kann, dass gesetzliche Pflichten wie die Dokumentation von Beratungen eingehalten werden. Ist das nicht oder nur ansatzweise umgesetzt worden, dann muss das mindestens transparent gemacht werden. Besser ist es, diese Mängel vor einem Verkauf zu beheben und auch diesbezügliche Klarheit mit der VSH herzustellen.
Inwieweit eine fehlende Dokumentation im Kaufpreis abzubilden ist, das ist eine schwierige Frage, die im Endeffekt wohl erst ein Gericht entscheiden könnte. Aus meiner Sicht als Experte für Nachfolge und Bestandsbewertungen ist es kaum möglich, einen pauschalen Wert zur Herabsetzung des Kaufpreises aufgrund fehlender Dokumentation zu bestimmen, weil die Eintrittswahrscheinlichkeit eines solchen Falles gering ist und der Wert eines Maklerbestandes oder Maklerunternehmens sehr komplex ist.
Bei unseren eigenen Expertisen zur Bestandsbewertung treffen wir eine Aussage auf Grundlage von Stichproben und den Darstellungen des Maklers. Das Thema Dokumentation wird in einer Gesamtheit von zirka 300 Einzelpositionen in rund 20 Bereichen erfasst und so in einer Wertermittlung eingebunden.
Ein möglicher Prozentsatz zur Kaufpreisminderung wegen fehlender Dokumentation hängt von verschiedenen anderen Faktoren an. Gab es beispielsweise bereits Klagen von Kunden wegen Falschberatung, Problemen im verkauften Produktportfolio oder mit der Qualität der Produktanbieter, dann verschärft sich das gesamte Bild vom Bestand. Unabhängig von den konkreten Umständen ist es aber sicher nicht falsch, wenn man von einem Abschlag wegen fehlender Dokumentation zwischen 10 bis 25 Prozent vom Kaufpreis ausgeht.
VSH und fehlende Dokumentation
Gehen wir nochmal kurz noch auf das Thema VSH-Schutz und fehlende Dokumentation ein. Ein Makler muss nicht nur darauf achten, „dass seine Dokumentation zur Beratung sinnvollerweise immer durchgeführt wird, sondern auch darauf, dass ihm kein Strick von Seiten seiner Vermögensschadenhaftpflicht bei einer verloren gegangenen Dokumentation gedreht wird“, wie Ralf Werner Barth von Conav es beschreibt.
Daher ist nach seiner Meinung wichtig, dass die VSH-Police, um in den Schaden einzutreten, nicht zwingend den Nachweis einer Dokumentation benötigt. „Der Tarif sollte daher keine Obliegenheit vorsehen, dass eine nicht vorhandene Dokumentation im Falle eines konkreten Schadenersatzanspruches durch den Kunden, die VSH-Deckung ausschließt oder infrage stellt.“
Fazit
Zur Notwendigkeit der Dokumentation von Kundenberatungen bei Versicherungsmaklern ist bereits viel geschrieben. Vielfach lässt sich aber die Beratungspraxis von den gesetzlichen Pflichten kaum oder wenig beeindrucken. Ich hoffe, dass der Hinweis auf das „Wehtun“ in Form der nicht erzielten Höhe des Verkaufspreises für Maklerbestände oder Maklerfirmen ein zusätzliches Argument pro Dokumentation erschließt.
Das Thema dieser Kolumne soll mit dem Hinweis geschlossen werden, dass gemäß Paragraf 199 Absatz 1 Nummer 2 BGB die Verjährungsfrist eines etwaigen Schadenersatzanspruchs erst nach Kenntnis der Falschberatung beginnt. Wenn ein Kunde nach Jahren glaubt, einen solchen Anspruch durchsetzen zu können und dem Makler Grundlagen einer Dokumentation fehlen, dann kann die Freude des Bestandsverkaufs zu einem guten Preis schnell vorbei sein.
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