Shahryar Honarbakhsh ist Gründer und Geschäftsführer von Beamtenservice.de und hat sich als unabhängiger Versicherungsmakler auf Vorsorgeprodukte für Beamte und Anwärter spezialisiert. © Beamtenservice.de
  • Von Redaktion
  • 27.03.2024 um 11:17
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lesedauer Lesedauer: ca. 03:15 Min

Es ist leider Realität: Regelmäßig rechnen Mediziner „geldbringende“ Diagnosen ab, machen Patienten kränker als sie sind. Dramatisch für alle, die sich privat mit einer Kranken- oder Berufsunfähigkeitsversicherung absichern wollen. Shahryar Honarbakhsh, Versicherungsmakler und Geschäftsführer von Beamtenservice.de, dokumentiert in seinem Gastbeitrag derartige Fälle und wie er seine Kunden unterstützt, dagegen vorzugehen.

„Haben Sie eine Ahnung davon, was in Ihrer Patientenakte steht?“ – Eine Frage, die jeder gewissenhafte Makler für private Kranken-, Zusatz- oder Berufsunfähigkeitsversicherungen seinen Klienten stellen sollte – nein – muss. Im täglichen Geschäft begegnen wir einer signifikanten Zahl von Menschen, deren Patientenakte inkorrekte Abrechnungsdiagnosen enthält. Dabei handelt es sich um ICD-Diagnoseschlüssel, die schwerwiegende und chronische Erkrankungen dokumentieren, die in dieser Form nie aufgetreten sind.

Die Fehldiagnosen ziehen für die Betroffenen folgenschwere und lebenslange Konsequenzen nach sich, insbesondere wenn diese in Erwägung ziehen, sich verbeamten zu lassen, in eine private Krankenversicherung zu wechseln oder eine Berufs- oder Dienstunfähigkeitsversicherung abzuschließen.

Ist eine Gesundheitsprüfung erforderlich, bei der Versicherte Vorerkrankungen angeben müssen, erschweren falsche Einträge in der Patientenakte nicht nur den Zugang zu einer adäquaten Versicherung und treiben die Beträge in die Höhe. Sie führen in den meisten Fällen zur Ablehnung.

Drei aktuelle Fallbeispiele aus unserer Praxis

Erster Fall: Ein Polizeianwärter, 19 Jahre jung, mit Heilfürsorgeanspruch, möchte in Nordrhein-Westfalen Polizeikommissar werden. Da dieser in den ersten fünf Dienstjahren staatlich nicht abgesichert ist, sollte er aufgrund von Unfall, Verletzung oder Krankheit dienstunfähig werden, wäre eine Dienstunfähigkeitsversicherung von Nöten. Für eine wahrheitsgemäße Beantwortung der Gesundheitsfragen (um im Ernstfall einen Rücktritt der Versicherung auszuschließen), rieten wir ihm, sich die Patientenquittung seiner Krankenkasse zukommen zulassen.

Zu seiner Überraschung hat sein Hausarzt im Zuge der letzten Krankschreibungen in drei Fällen psychosomatische Erkrankungen abgerechnet. Unser Klient war jedoch weder psychisch labil, nie in therapeutischer Behandlung, noch wurde ihm eine angeraten. Mit dieser Diagnose wird es jedoch äußerst problematisch, eine Dienstunfähigkeitsversicherung zu bekommen – allenfalls mit Leistungsausschlüssen.

Zweiter Fall: Eine gesetzlich krankenversicherte Kundin, 26 Jahre, wünschte sich eine private Zusatzversicherung und hat auf unseren Rat die Online-Akteneinsicht bei ihrer Krankenkasse genutzt. Bei der Durchsicht der ambulanten Diagnosen der letzten drei Jahre fiel auf, dass ihre Gynäkologin mit der Codierung „F 43.0“ und „F 43.9“ mehrmals eine akute Belastungsreaktion sowie eine Reaktion auf schwere Belastung abgerechnet hat. Die sogenannten „F-Diagnosen“ stehen für psychische Krankheiten – ein Ausschlusskriterium für nahezu alle Versicherer.

Dritter Fall: Unser Klient hat sich ein Medikamentenrezept bei einem Vertretungsarzt ausstellen lassen. Aus seiner Patientenquittung ging jedoch der Code „M23.99“ hervor – eine nicht näher bezeichnete Binnenschädigung des Kniegelenks –, ohne dass jemals eine Diagnose gestellt wurde. Es bestanden zu diesem Zeitpunkt keinerlei Beschwerden. Diagnosen, die mit dem Kürzel M beginnen, stehen für Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und sind einer der häufigsten Gründe für Arbeitsunfähigkeit in Deutschland. Wie die Gesellschaften bei Antragstellung auf die gewünschte PKV für Beamte sowie die Dienstunfähigkeitsversicherung reagieren würden, ist selbsterklärend.

Anreize, Patienten kränker zu machen

Ob diese fehlerhaften Diagnosen von Ärzten bewusst oder mit ihrem medizinischen „Interpretationsspielraum“ bei bestimmten Symptomen gestellt werden, sei einmal dahingestellt. Fakt ist, dass wir ein System haben, welches falsche Anreize für Krankenkassen und Ärzte gibt. Der Risikostrukturausgleich löst einen regelrechten Wettbewerb zwischen den Kassen aus: Wer den größten Anteil an schwerkranken Patienten hat, gewinnt den Geldtopf. Das wiederum führt dazu, „begehrte“ Krankheitsbilder häufiger abzurechnen. Die „Optimierung der Codierung“ bestätigte selbst der Chef der Techniker Krankenkasse (TK), Jens Baas, im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung”.

Falschdiagnosen in der Krankenakte: Was wir dagegen tun können

Um Fehldiagnosen in der Krankenvita entfernen zu lassen – und sich seine Optionen auf die gewünschte Absicherung zurückzuholen – bedarf es eines nicht unerheblichen Aufwands. Und Hartnäckigkeit. Zwar wurde 2020 im Sozialgesetzbuch ein Passus eingeführt, der besagt, dass Patienten gegenüber der Krankenkasse Anspruch auf Änderung einer falschen Diagnose haben. Jedoch muss die Unrichtigkeit durch einen ärztlichen Nachweis belegt werden. Und welcher Arzt gibt schon gerne zu, dass falsch abgerechnet wurde?

Viele reagieren bei der ersten Konfrontation anmaßend und uneinsichtig. Schalten wir als Versicherungsexperten uns mit der Bitte um ein Korrekturschreiben ein, können wir hingegen häufiger Erfolg verbuchen und unseren Klienten zur Löschung ihrer Falschdiagnosen verhelfen. Einige Kassen stellen zudem Formulare für den „Antrag auf Änderung der gespeicherten Diagnosen“ bereit, was den entscheidenden Schritt für die Mediziner vereinfacht. Alternativ raten wir dazu, einen anderen Arzt aufzusuchen, um sich den entsprechenden Nachweis ausstellen zu lassen.

Wichtig ist, dass wir nicht den Kopf in den Sand stecken, wenn wir auf derartige Fälle stoßen. Wir müssen das Bewusstsein für das Problem schärfen, unsere Kunden wie unser Umfeld sensibilisieren, die eigene Gesundheitshistorie im Auge zu behalten, Atteste und Einträge in der Patientenakte zu kontrollieren. Denn jede mit den Schultern zuckende Ignoranz stützt die bedenkliche Entwicklung, welche schwerwiegende Folgen für die Patienten und deren lebenslange Gesundheitsversorgung hat – genauso wie für die Versicherungsbranche.

Über den Autor

Shahryar Honarbakhsh ist Gründer und Geschäftsführer von Beamtenservice.de und hat sich als unabhängiger Versicherungsmakler auf Vorsorgeprodukte für Beamte und Anwärter spezialisiert. Zertifiziert für den öffentlichen Dienst berät er seine Kunden in den Bereichen Private Krankenversicherung, Beihilfe, Heilfürsorge, Dienstunfähigkeits- und Zusatzversicherungen. Auf seinem Blog setzt er sich regelmäßig mit aktuellen und kritischen Themen der Versicherungsbranche auseinander – ungeschönt und transparent.

kommentare
Frank Dietrich
Vor 8 Monaten

die täglichen Erlebnisse eines Maklers und die Behörden helfen nicht mit. Dennoch war es mir bisher möglich relativ stressfrei 90 % solcher Diagnosen aus dem Feld zu räumen. Wichtig ist dabei die medizinische vor Kenntnis, mit der man dem Arzt belegen kann, dass man hier auf Augenhöhe mit dem spricht. Psychische Diagnosen relativieren Sie schon dadurch, dass die Mitteilungspflicht nicht eingehalten wurde, keine nach Termine oder Überweisung zum Facharzt gemacht wurden. So hat jede Erkrankung ihr Erfordernis und wenn dieses nicht eingehalten wurde, hat der Arzt ein Argumentationsproblem.

Alfred Jani
Vor 8 Monaten

Ich bin seit 1998 als gerichtlich zugelassener Versicherungsberater tätig.

Nach meiner Überzeugung ist es nicht generell ratsam, Patientenquittungen anzufordern. Den Vermittlern, Maklern und sonstigen “Ratgebern” fehlt es teils offensichtlich an Rechtskenntnis zur vorvertraglichen Anzeigepflicht.

    C. Mathé
    Vor 8 Monaten

    Wollen Sie hier nicht zur Sache Stellung beziehen und uns mitteilen, was aus Ihrer Sicht in der Sache gegen die Anforderung einer Patientenquittung spricht. Wir könnten dann glauben, dass Ihre langjährige Tätigkeit als Versicherungsberater auch Früchte getragen hat. Maklerbashing ist nicht beeindruckend.

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Frank Dietrich
Vor 8 Monaten

die täglichen Erlebnisse eines Maklers und die Behörden helfen nicht mit. Dennoch war es mir bisher möglich relativ stressfrei 90 % solcher Diagnosen aus dem Feld zu räumen. Wichtig ist dabei die medizinische vor Kenntnis, mit der man dem Arzt belegen kann, dass man hier auf Augenhöhe mit dem spricht. Psychische Diagnosen relativieren Sie schon dadurch, dass die Mitteilungspflicht nicht eingehalten wurde, keine nach Termine oder Überweisung zum Facharzt gemacht wurden. So hat jede Erkrankung ihr Erfordernis und wenn dieses nicht eingehalten wurde, hat der Arzt ein Argumentationsproblem.

Alfred Jani
Vor 8 Monaten

Ich bin seit 1998 als gerichtlich zugelassener Versicherungsberater tätig.

Nach meiner Überzeugung ist es nicht generell ratsam, Patientenquittungen anzufordern. Den Vermittlern, Maklern und sonstigen “Ratgebern” fehlt es teils offensichtlich an Rechtskenntnis zur vorvertraglichen Anzeigepflicht.

    C. Mathé
    Vor 8 Monaten

    Wollen Sie hier nicht zur Sache Stellung beziehen und uns mitteilen, was aus Ihrer Sicht in der Sache gegen die Anforderung einer Patientenquittung spricht. Wir könnten dann glauben, dass Ihre langjährige Tätigkeit als Versicherungsberater auch Früchte getragen hat. Maklerbashing ist nicht beeindruckend.

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