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- 04.10.2018 um 10:30
Für gewöhnlich haben wir Vermittler nur bedingten Einblick in das Privatleben unserer Kunden. Und bei einem Neukunden wissen wir zunächst mal überhaupt nix. Das ist dann doof, wenn der Kunde von uns ein Angebot zu einer Berufsunfähigkeitsversicherung (BU-Versicherung) haben will, weil wir da viel über Beruf, Gesundheit, Hobbies, Einnahmen und Ausgaben wissen müssen. Das stellt die Beziehung zwischen Vermittler und Kunde schon zu Beginn auf eine recht harte Probe.
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Denn grundsätzlich sind alle Menschen Versicherungsfuzzis gegenüber erstmal misstrauisch eingestellt. Was macht der mit meinen Daten? Verkauft der die? Ich hatte tatsächlich mal eine Anfrage eines Kunden, der eine BU-Versicherung wollte, mir aber weder Geburtsdatum noch Beruf mitteilen wollte. War dann nicht so leicht und ist auch früh und glorreich gescheitert. Ich durfte mir einige Beschimpfungen ob meiner Kompetenz anhören.
Um den Kunden nicht zu verschrecken, vereinbaren viele Kollegen einen Kennenlern-Termin, bevor sie nähere Informationen zum Gesundheitszustand, Beruf oder Hobbies haben wollen. Das ist für den Kunden wohl zunächst angenehmer, weil ich mich nicht vor einem Unbekannten nackig machen muss. Die meisten notwendigen Daten können im Termin erfragt werden und der Kunde lernt schon mal mich und meine Art zu arbeiten kennen. Für die Kundenbindung sicherlich kein schlechter Weg.
Der Kunde könnte abspringen …
Denn wenn wir schon vor dem ersten Termin alle möglichen Daten erheben wollen, kann es immer wieder passieren, dass ein Kunde verschreckt abspringt. Ich habe also einen potenziellen Kunden verloren.
Auf der anderen Seite bleiben mir so doch einige Termine erspart, deren Ergebnis es ist, dass weitere Daten beim Arzt oder sonst wo erhoben werden müssen, um eine Versicherbarkeit zu prüfen. Manchmal ist auch eine Versicherbarkeit nicht möglich oder der Bedarf einfach nicht gegeben.
Obwohl wir sehr intensiv Daten zu Hobbies, Beruf und Gesundheit abfragen, hatte ich mal einen Kunden, der so reich war, dass er schlicht und einfach keine BU-Versicherung benötigte, weil er von den Zinsen seines riesigen Vermögens leben konnte. Kein System ist perfekt.
… aber die Beratungszeit halbiert sich tendenziell pro Vertrag
Seit wir die Daten vor dem ersten Termin abfragen, benötigen wir nur noch etwa die Hälfte der Termine, bis ein Vertrag zustande kommt. Das macht die Verträge leider nicht doppelt so rentabel, weil die Ermittlung und Prüfung der Daten auch Zeit kostet. Aber die Beratungszeit, die eben meistens durch den Chef oder einen ähnlich teuren Mitarbeiter erfolgt, hat sich halbiert.
Ein positiver Nebeneffekt ist, dass wir dieses Vorgehen auch nutzen, um unser Image bei Neukunden zu setzen. Wir wollen keine Angebote abgeben, die wir später nicht halten können, sondern schon Zuschläge und Ausschlüsse berücksichtigen. Wir wollen, dass sich unsere Kunden auf uns verlassen können. Beim Angebot und auch später im Leistungsfall.
Lieber zuverlässig statt schnell
Wenn wir den Kunden fragen, ob er ein schnelles Angebot will, von dem wir aber nicht garantieren können, dass es später nicht teurer oder doch nicht so umfangreich ist wie besprochen, oder ob er lieber ein zuverlässiges Angebot möchte, auf das er sich verlassen kann, ist die Antwort eindeutig.
Am Rande sei erwähnt, dass es sinnvoll ist, dass Wörtchen „verbindlich“ zu vermeiden. Es trifft zwar ganz genau, was wir hier meinen, aber der Kunde denkt dabei immer, dass das Angebot auch für ihn bindend wäre. Das haben wir für euch schon gelernt, den Fehler müsst ihr nicht mehr machen.
Unterm Strich sollte ich als Vermittler lieber riskieren, vielleicht mal einen Neukunden zu verlieren, als mein System darauf auszurichten, garantiert mehr Zeit pro Vertrag zu brauchen als notwendig.
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