- Von Redaktion
- 17.08.2022 um 16:34
I. Die unbewusst „unwirksame“ Lebensversicherung
Die Risikolebensversicherung
Die Risikolebensversicherung ist ein beliebtes Fürsorgeprodukt, das zum festen Repertoire der Vermittler zählt. Sie soll eine Versorgungslücke schließen, die nach dem Tod eines Angehörigen entsteht. Im Todesfall wird eine im Vorfeld vereinbarte Versicherungssumme an den Versicherungsnehmer ausgekehrt. Häufig wird die Lebensversicherung auf fremdes Leben genommen. Der Versicherungsnehmer versichert das Leben einer anderen Person und soll selbst im Todesfall leistungsberechtigt sein („Versicherung auf fremde Rechnung“).
Besonders unter Lebenspartnern ist die Konstruktion einer sogenannten Überkreuzversicherung beliebt. Die Partner schließen jeweils einen eigenen Lebensversicherungsvertrag ab und versichern das Leben des anderen Teils. Im Ablebensfall kriegt der jeweils andere die Versicherungsleistung. Die Familien sichern sich durch diese Gestaltung ab.
„Ich bin kein Freund von Unternehmergängelung“
Die Grenzen der Umorganisation bei einem selbstständigen Friseurmeister
Was unbedingt in die Beratungsdokumentation gehört
Das Problem: Die mögliche Unwirksamkeit digital unterschriebener Verträge
Erforderlich für die Wirksamkeit einer Fremdlebensversicherung ist nach Paragraf 150 Absatz 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) die Einwilligung des Versicherten. Ein Vertrag, der ohne eine wirksame Einwilligung geschlossen wurde, ist unwirksam. Ein rechtliches Wirksamkeitsproblem des Lebensversicherungsvertrags kann sich dann auftun, wenn eine notwendige Einwilligung nicht formgerecht erteilt wurde. Diese Problematik stellt sich bei digital unterschriebenen Verträgen.
Ein häufiges Missverständnis ist, dass formunwirksame Verträge generell schwebend unwirksam wären und deshalb im Nachhinein grundsätzlich genehmigt werden könnten. Fehlerhaft ist die Vorstellung, dass der Vertrag nachträglich wirksam werden kann. Dem ist aber nicht so. Der Versicherungsvertrag ist unwirksam.
Die Unwirksamkeit kann zu unangenehmen und unvorhergesehenen Rechtsfolgen führen, zum Beispiel, wenn die versicherte Person stirbt und der Versicherer nun dem Versicherungsnehmer aufgrund des nichtbestehenden Vertrags die Auszahlung verweigert. Oder: Die versicherte Person überlebt die Vertragsdauer und der Versicherungsnehmer fordert nun die Prämien vom Versicherer zurück; dieser beruft sich aber auf die Unwirksamkeit des Vertrages und verweigert.
II. Bedeutung des Einwilligungserfordernisses
Die Einwilligung der versicherten Person ist wesentliche Wirksamkeitsvoraussetzung einer Lebensversicherung auf fremdes Leben. Das Einwilligungserfordernis ist in Paragraf 150 Absatz 2 VVG normiert. Der Paragraf 150 Absatz 2 VVG nF. stimmt inhaltlich mit dem alten Paragrafen 159 Absatz 2 VVG aF. unverändert überein. Die Einwilligung soll bezwecken, dass die versicherte Person ihr Einverständnis mit einer erhöhten Gefahrenlage erklärt, die dadurch entsteht, dass ihr Ableben einen anderen begünstigen kann (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 09. Dezember 1998 – Aktenzeichen IV ZR 306–97). Die Einwilligung bezieht sich auf den Versicherungsvertrag und soll die durch ihn geschaffene Gefahrenlage rechtfertigen. Das Einwilligungserfordernis soll die Spekulation mit dem Leben anderer verhindern (BGH vom 07. Mai 1997 – IV ZR 35/96).
Die vorgesehene Schriftform soll absichern, dass die versicherte Person in Kenntnis der Gefahrumstände, nachweislich auf den Schutz ihrer Rechtsgüter verzichtet hat. Gleichzeitig erfüllt die Schriftform eine Warn- und Kontrollfunktion, denn die versicherte Person soll ihre Disponierung über ihr Leben nicht übereilen (Heiss in: MüKo VVG, Paragraf 150, Rn. 23). Wurde die Einwilligung nicht formgerecht erteilt, ist die Lebensversicherung unbewusst unwirksam.
III. Schriftform („E-Signing“)
Grundsätzlich entspricht eine handschriftliche Unterzeichnung stets der Schriftform nach Paragraf 125 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). In der Praxis wird die für die Einwilligung erforderliche Unterschrift häufig digital getätigt, zum Beispiel auf einem Tablet. Grundlegend wäre es möglich, die vorgeschriebene Schriftform auch durch eine elektronische Unterschrift gemäß Paragraf 126a BGB zu ersetzen (das sogenannte E-Signing). Paragraf 150 Absatz 2 VVG schließt die Möglichkeit der elektronischen Unterschrift jedenfalls nicht aus.
Die vorgeschriebene Schriftform ist auf die Einwilligungserklärung des „Dritten“ (versicherte Person) nach Paragraf 126a Absatz 1 BGB beschränkt, sodass zur Wirksamkeit des Vertrags lediglich die Einwilligungserklärung schriftlich im rechtlichen Sinn erfolgen muss – hierüber hinaus ist keine weitere Schriftform angeordnet, sodass die Policierung des Gesamtvertrags durch eine einfache digitale Signatur durch Vermittler/Versicherer grundsätzlich zulässig ist (vergleiche Paragraf 126a Absatz 2 BGB).
Problematisch wird die digitale Unterschrift aber dann, wenn die Einwilligung durch eine einfache digitale Unterschrift getätigt wurde, denn dann wäre die Schriftform nicht gewahrt. Es ist vielmehr eine qualifizierte digitale Signatur erforderlich. Zur Folge hätte dies, dass der Vertrag nach Paragraf 125 BGB unwirksam wäre. Somit ist es maßgeblich, ob die Unterschrift den Anforderungen des Paragrafen 126a Absatz 1 BGB entspricht – es muss damit zwingend zwischen der einfachen und qualifizierten elektronischen Unterschrift unterschieden werden.
0 Kommentare
- anmelden
- registrieren
kommentieren