- Von Andreas Harms
- 05.09.2022 um 12:29
Es konnte ja so nicht weitergehen. Es war schlicht unmöglich. Wirtschaft verläuft nun mal in Kurven. Sie läuft heiß, und dann muss jemand bremsen, bis die Stimmung darnieder liegt und sich alles wieder ein bisschen zurecht ruckelt.
Somit war es auch jetzt nach jahrelanger Hurra-Wirtschaft (sicher, da war eine wirklich heftige Corona-Delle, stimmt schon) nur eine Frage der Zeit, bis jemand eine große Handvoll Sand ins Getriebe schmeißt. Dass das ausgerechnet unser langjähriger Energielieferant Wladimir Putin ist … nun ja. Hätte vielleicht nicht jeder so erwartet.
Die Kanonen donnern – und die Aktien brechen ein
„Dunkelsten Tage in Europa seit Jahrzehnten“ – Reaktionen aus der Versicherungsbranche
Jetzt bitte nicht durchdrehen!
Im Grunde macht die Wirtschaft jetzt genau das, was sie immer tut. Sie reagiert auf veränderte Umstände. Und das tut sie über den noch immer einzigen uneingeschränkt wirksamen Mechanismus (alle Nachhaltigkeitsverfechter hören jetzt mal weg): den Preis. Während die Wirtschaft schöne Reden, Warnungen und Appelle stets mit einem Lächeln beiseite wischt, saust ihr immer nur dann wirklich die Muffe, wenn es ihr ans Geld geht.
Die Märkte reagieren völlig logisch
Nun hat also eine politische Maßnahme – keine Geschäfte mit Russland mehr – einen Rohstoff verknappt. Und Märkte und Wirtschaft reagieren (leider) völlig logisch: Sie lassen den Preis steigen. Das drückt zwangsläufig die Nachfrage und zwingt die Menschen dazu zu sparen. Unternehmen nutzen weniger Gas, ersetzen es durch andere Energieformen oder: gehen Pleite. Und Menschen drehen die Heizung herunter oder sitzen gänzlich im Kalten. So entsteht ein Abschwung, der den Gasverbrauch zusätzlich senkt. Das gilt auch für alle weiteren Güter, die ebenfalls durch Kostendruck oder klemmende Lieferketten teurer geworden sind. Und nur so kann sich wieder ein Gleichgewichtspreis einstellen. Das ist der normale Mechanismus der Wirtschaft.
Sicherlich hat er gute Seiten. Effizienter zu arbeiten und Rohstoffe zu sparen, sind in der Wirtschaft sehr löbliche Vorgänge. Ebenso gut ist es, wenn Menschen endlich mal weniger Essen wegschmeißen, die Zimmer nicht mehr überheizen und nicht rund um die Uhr das Licht brennen lassen. Doch es ist auch ein hässlicher Mechanismus. Denn er trifft immer die Schwächsten. Menschen, die sich jeden Tag abstrampeln und trotzdem schon vor der großen Inflation Probleme hatten, ihre Rechnungen zu bezahlen. Unternehmen, die hohe Energiekosten nicht so einfach auf die Preise umwälzen können. Und dann gehen sie Pleite und ihre Leute verlieren ihren Arbeitsplatz. Und es sind wieder viele Menschen mit Kindern darunter. Zu viele.
Menschlich richtig, wirtschaftlich gefährlich
Insofern ist es menschlich betrachtet völlig richtig, dass die Regierung eingreift und Preise künstlich senkt oder Menschen und Unternehmen anderweitig unter die Arme greift. Wenngleich das bisher auch nicht immer ganz geschickt ablief. Wirtschaftlich betrachtet ist es jedoch nicht ganz ungefährlich. Denn wenn man von einem plötzlich endlichen Gut – der Überfluss hat ja nun wohl doch ein Ende – den Preis künstlich drückt, hebelt man den Mechanismus aus. Im schlimmsten Fall sinkt der Verbrauch nicht ausreichend tief – und das Zeug ist alle.
Ein künstlich gesenkter Preis stört das Gleichgewicht und lässt die Nachfrage höher bleiben, als eigentlich richtig wäre. Damit steht zwar noch nicht fest, dass Energieträger im kommenden Winter plötzlich verbraucht sind. Wir bräuchten uns aber auch nicht zu wundern. Und was dann mit dem Preis geschähe, können wir uns wahrscheinlich nicht mal im Ansatz vorstellen.
0 Kommentare
- anmelden
- registrieren
kommentieren