- Von Karen Schmidt
- 07.05.2020 um 11:15
Bevor Corona zuschlug, gab es ein anderes Thema, das die Branche bewegte: die Digitalisierung. Welche Rolle spielt sie im Gewerbemarkt?
Tolga Sancar, Vertriebsmitarbeiter der Vema: Sie spielt bei einfachen Gewerberisiken genauso eine Rolle wie im Privatkundenbereich. Es macht keinen großen Unterschied, ob ich eine Privathaftpflicht oder eine Betriebshaftpflicht eindecke. Das muss vor allem schnell gehen. Je komplexer aber ein Betrieb ist, desto schwieriger wird es sein, ihn komplett digital zu versichern. Trotzdem sorgen digitale Tools wie SkenData, mit dem man den Wert14 von Gewerbegebäuden ermitteln kann, ohne zum Objekt fahren zu müssen, für Entlastung und Zeitersparnis. In dieser Entwicklung sind wir mittendrin.
Leifeld: In der Gewerbeversicherung kann man Digitalisierung nicht mit Automatisierung gleichsetzen. Klar kann man die gesamte Wertschöpfungskette digital weiterentwickeln – von der Bedarfsermittlung über die Risikoerfassung und Angebotsermittlung bis hin zum Abschluss und der Dokumentation. Das geht auch für die komplexeren Risiken. Aber es wird trotzdem Stellen geben, an denen einem noch ein Mensch gegenübersitzt.
Buschkotte: Unterm Strich gibt der Kunde das Programm vor. Gerade Kleingewerbetreibende und Gründer verhalten sich beruflich nicht anders als privat. Sie haben die Erwartung, dass die gesamte Interaktion mit dem Versicherer und dem Vertriebspartner weitestgehend automatisiert funktioniert – und auch in Echtzeit. Das ist der Punkt, an dem die Branche noch nicht schnell genug ist. Wir sind aber auf dem richtigen Weg.
Heise: Der Übertragbarkeit der Verhaltensweise der Gewerbetreibenden vom privaten auf den geschäftlichen Kontext stimme ich zu. Unsere 2019 durchgeführte Studie zeigt, dass bereits über 40 Prozent aller Gewerbetreibenden digitale Kanäle bei der Informationsbeschaffung nutzen. Bei Großbetrieben sind es sogar 60 Prozent. Der Anteil der digitalen Beratungen hat sich von 12 Prozent im Jahr 2017 auf 23 Prozent im vergangenen Jahr fast verdoppelt. Selbst den digitalen Abschluss können sich rund 57 Prozent der Versicherten vorstellen. Würde man die Umfrage jetzt wiederholen, nachdem viele Kunden durch das Corona-Virus zu einer Online-Beratung praktisch gezwungen wurden, dürften diese Anteile noch mal höher ausfallen.
Welche Anforderungen stellt die zunehmende Digitalisierung an die Produktgestaltung?
Sancar: Die Produkte müssen umfangreicher gestaltet werden, damit sie für eine große Zahl von Kunden passen. Wir brauchen universell einsetzbare Produkte, zu denen man optionale Bausteine buchen kann, je nachdem, welchen Kunden und welches Risiko man zu versichern hat.
Buschkotte: Hier muss man differenzieren. Der Endkunde versteht oft nicht, was wir von ihm wollen. Daher müssen wir die Produkte an der Stelle rigoros simplifizieren. Der Vermittler braucht das nicht. Er braucht Vielfältigkeit, Modularität, Auswahl. Wenn ich dem Endkunden zu viel Auswahl zur Verfügung stelle, ist er komplett überfordert. Wir starten also beim Kunden und fragen ihn: Was hast du bei den bisherigen Gewerbeprodukten nicht verstanden? Von der Basis aus entwickeln wir weiter.
Leifeld: Es muss der Spagat klappen zwischen dem Simplifizieren der Produkte, also nicht zu viele Daten abfragen – egal, ob vom Versicherungsnehmer oder Makler –, und das gleichzeitig sehr spezifische Eingehen auf das Risiko.
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