Die Teilnehmer des Roundtables (oben, v. l.): Andreas Herber, Inter; Christopher Leifeld, Thinksurance; Nils Heise, EY Innovalue. In der unteren Reihe Christian Buschkotte, andsafe (links) und Tolga Sancar, Vema; im Gespräch mit Karen Schmidt, Pfefferminzia © Pfefferminzia
  • Von Karen Schmidt
  • 07.05.2020 um 11:15
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lesedauer Lesedauer: ca. 05:50 Min

Wie wirkt sich das Corona-Virus auf den Gewerbemarkt aus? Welche Chancen und Herausforderungen liefert die Digitalisierung? Und wie kann sich der Vermittler beim Gewerbekunden am besten als Experte positionieren? Diese Fragen besprachen wir in einem (virtuellen) Roundtable mit Experten.

Worauf kommt es bei der Beratung gewerblicher Kunden insbesondere an?

Herber: Jedes Gewerbe, jede Zielgruppe, jeder Kunde ist besonders. Bei Handwerksbetrieben muss der Vermittler zum Beispiel prüfen, ob es sich um ein stationäres Risiko handelt, also etwa um einen Produktionsbetrieb. Oder ob der Handwerker beim Kunden unterwegs ist. Das macht das Gewebegeschäft so herausfordernd.

Sancar:  Es sind vor allem diejenigen erfolgreich, die sich auf eine spezielle Zielgruppe oder Betriebsart spezialisiert haben. Weil sie dann besser verstehen, welche Schäden überhaupt passieren können und welche Risiken der Geschäftsführer vielleicht übersehen hat. Für solche Hinweise ist der Kunde sehr dankbar.

Buschkotte: Es muss aber auch Vermittler geben, die das Geschäft rund um den Kirchturm mit bis zu 500.000 Euro Umsatz abdecken, da sehe ich eher Generalisten vorn.

Welche Gewerberisiken haben Ihrer Erfahrung nach zuletzt deutlich zugenommen?

Buschkotte: Das Thema Cyber wird immer relevanter – zumindest für die Versicherer. Kleine Gewerbetreibende wie Bäcker, Wirte oder Metzger können mit dem Begriff noch deutlich zu wenig anfangen. Sie haben ihren Virenschutz und fühlen sich damit wohl. Der Kunde kommt von sich aus nicht auf die Idee, dass er eine Cyber-Police braucht. Da liegt eine große Chance für den Vertrieb. Ich bin überzeugt, dass die Cyber-Versicherung zum Breitenprodukt wird.

Leifeld: Wir alle kennen aber die Demografie des Vermittlermarkts. Wenn ein 55-jähriger Makler mit seinem Kunden einen Fragebogen zu Cyber-Risiken ausfüllen muss, den er selbst nicht versteht, wird es strukturell herausfordernd sein, das Thema in den Markt zu tragen. Unabhängig davon, wie relevant es für Kunden ist.

Sancar: Neben Cyber-Gefahren haben meiner Ansicht nach auch Produkt- und Materialhaftungsrisiken zugenommen. Einfach dadurch, dass man wegen der Quasihersteller-Regelung auch dann haftet, wenn man das Produkt vertreibt, es aber nicht selbst hergestellt hat. Auch Elementarschäden gibt es immer häufiger.

Herber: Potenzial für Vermittler sehe ich aber auch im klassischen Geschäft und gar nicht nur in den „neuen“ Risiken. Schauen Sie sich nur mal an, wie viele Maschinen Betriebe heutzutage im Einsatz haben. Die sind nicht nur sehr teuer, auch viele Prozesse hängen von ihnen ab. Das sind also Existenzgrundlagen, die oft nicht vernünftig abgesichert sind. Oder nehmen Sie den Schutz vor Betriebsunterbrechungen. Dort gibt es viele Verträge mit einer Versicherungssumme analog zur Inhaltsversicherung. Das ist in sehr vielen Fällen nicht bedarfsgerecht. Auch da sehe ich Potenzial im Markt.

Kommt der Wettbewerb im Gewerbemarkt in Zukunft eher von Big Techs wie Amazon oder von den wendigen, schnellen Insurtechs?

Buschkotte: Was Amazon kann, ist die konkrete Bedarfsdeckung. Wenn ich meine Jeans in Länge 30 bestellen möchte, bedient mich Amazon perfekt. Auf die Frage, was mir gut stehen könnte, bekomme ich dort keine Antwort. Da liegt eine Chance für die Versicherungsbranche. Insurtechs wiederum bringen deutlich Geschwindigkeit in den Markt. Es tut der Branche gut, wenn sie Produkte innerhalb von zwei Monaten fertig ausliefern kann.

Heise: Es geht den Insurtechs darum, Innovation voranzutreiben, und das zunehmend in Form eines auf Kooperationen basierenden Geschäftsmodells. Was ein Versicherer aufgrund seiner Altlasten nicht kann, kauft er sich beim Insurtech ein, etwa über eine White-Label-Lösung.

Leifeld: Das Gewerbegeschäft wird nicht der erste Markt sein, in den sich die Big Techs vorwagen. Da sehe ich den größeren und weniger komplexen Markt des Privatkundengeschäfts vorn. Solche Markteintritte sind aber nicht irrelevant für die Branche. Bei der Frage, wer näher am Kunden dran ist und häufigere Kontaktpunkte zu ihm hat, liegt Amazon vor Maklern und Versicherern. Kurzfristig wird im Gewerbegeschäft also erst mal nichts passieren, langfristig würde es mich wundern, wenn alles so bleibt, wie es jetzt ist.

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Karen Schmidt

Karen Schmidt ist seit Gründung von Pfefferminzia im Jahr 2013 Chefredakteurin des Mediums.

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