- Von Lorenz Klein
- 11.04.2022 um 14:42
Die Unwetterkatastrophe im Juli 2021 fordert allein im Ahrtal 133 Menschenleben. Hinzu kommen Schäden in Milliardenhöhe – und der Wiederaufbau ist mühsam und oft gar nicht mehr möglich. „In Ahrbrück, direkt am Flussufer, besaß das Ehepaar Sicken vier Häuser, bewohnt von seinen Kindern und deren Familien“, heißt es in einer aktuellen „Spiegel TV“-Reportage mit dem Titel „Wie Flutopfer im Ahrtal alleingelassen werden“. Die Gebäude hatte Heinz Sicken im Laufe der Jahre eigenhändig erbaut – ein Lebenswerk von dem nun nichts mehr zu sehen sei.
„Das schlimmste Szenario: Orkane mit Verwüstungen bis hin zum Totalschaden“
„Das schockiert einen schon massiv“
Versicherer zahlt nicht für zerstörtes Haus an der Ahr
Denn am 14. Juli 2021 zerstören die Flutmassen innerhalb von Stunden fast alles. „Die Wucht des Wassers beschädigt die Gebäude so stark, dass sie abgerissen werden müssen. Für die Familie bricht eine Welt zusammen“, schildern die Reporter. „Dann der nächste Schock: Ihre Versicherung will für den Schaden nicht aufkommen“, wie es heißt. Eines ihrer vier Häuser war bei der Provinzial Rheinland versichert. Die Familie hofft auf die Erstattung des Schadens – eine halbe Million Euro. Sie beruft sich auf eine entsprechende mündliche Zusage durch den Versicherer, wie es auch in einem vorherigen Bericht des SWR (wir berichteten) zur Sprache kam. „Es ging nur noch um die Höhe“, machten sich die Sickens zunächst noch Hoffnung auf eine Zahlung. Doch die entscheidende Nachricht von der Versicherung habe das Ehepaar dann rund drei Monate nach der Flut erreicht. „Kurz, aber deutlich“, so „Spiegel TV“.
Im Ablehnungsschreiben heißt es:
„Nach Prüfung des Sachverhalts müssen wir Ihnen leider mitteilen, dass der durch das Hochwasser an Ihrem Gebäude verursachte Schaden nicht versichert ist. Denn dem zwischen uns bestehenden Versicherungsvertrag liegen die Wohngebäudeversicherungsbedingungen (VGB 10) mit StarkregenPlus (Klausel 7985) zugrunde. Darüber besteht nur Versicherungsschutz für Schäden durch Überschwemmung infolge Starkregen. Kein Versicherungsschutz besteht hingegen für Schäden, die durch eine Sturmflut oder Flut verursacht werden (Nr. 10c (1) VGB).“
Das Ablehnungsschreiben der Versicherung findet auch der von Familie Sicken beauftragte Anwalt Markus Krämer „völlig inakzeptabel“. „Ich ziehe das mal auf den wesentlichen Satz zusammen“, sagt er: „,Versicherungsschutz besteht für Schäden durch Überschwemmung infolge Starkregen‘“. Das passt ja so, kommentiert der Anwalt lakonisch. „,Kein Versicherungsschutz besteht hingegen für Schäden, die durch eine Sturmflut oder Flut verursacht sind.‘“ „Ja gut, das passt ja auch – es war ja keine Sturmflut“, fährt Krämer fort – aber dann erzähle die Provinzial „einem aber, dass das, was passiert ist, eine Sturmflut nach Verständnis des Versicherers war – und es deswegen kein Geld gibt“. Er könne daher nachvollziehen, so der Anwalt, dass dies seinen Mandanten „den Boden unter den Füßen“ wegziehe.
Der Fall der Sickens führt in die Niederungen des Bedingungswerks
Der Familie werde wohl nichts anderes übrigbleiben, als zu klagen, heißt es im Bericht, doch ein solcher Prozess gegen einen großen Konzern könne Jahre dauern. „Die Provinzial Versicherung lehnt ein Interview zu dem Fall ab“, berichten die Reporter, doch immerhin erfolgt eine schriftliche Stellungnahme, woraus „Spiegel TV“ einen Auszug zitiert:
„Nach dem Beratungsgespräch hat er (Heinz Sicken, Anm. d. Redaktion) lediglich eine Versicherung gegen ,Überschwemmung durch Starkregen‘ gewählt, die ihm angebotene und empfohlene Versicherung gegen ,Starkregen und Hochwasser‘ hat er abgelehnt. Somit sind in diesem Fall Schäden durch Überschwemmungen infolge von Hochwasser (so wie bei der Ahr geschehen) nicht versichert.“
Heinz Sicken dementiert gegenüber dem TV-Team, dass ihm der Unterschied zwischen Starkregen und Hochwasser erklärt worden sei. Wer ihm aber diesen Unterschied nicht erklärt habe – also, ob dem Ganzen womöglich ein Beratungsfehler eines Provinzial-Vertreters vorausging – das erfährt man als Zuschauer von „Spiegel TV“ nicht.
Seite 2: „Bei mindestens 70 bis 80 Prozent der Fälle passiert wenig bis gar nichts“
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