- Von Redaktion
- 28.06.2021 um 11:24
Die coronabedingten Verwerfungen an den Kapitalmärkten haben erwartbar ihre Spuren auch in den Solvenzkennzahlen der deutschen Lebensversicherer hinterlassen. Nichtsdestotrotz ist die Marktsituation aus aktuarieller Sicht weiterhin sehr stabil, da die Unternehmen unter anderem mit dem Aufbau der Zinszusatzreserve bereits seit 2011 Vorsorge für derartige Extremsituationen betreiben und die Übergangsmaßnahmen von Solvency II maßgeblich zur Stabilisierung der Branche beigetragen haben.
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Die Übergangsmaßnahmen sind ein elementarer Bestandteil des seit 2016 gültigen Aufsichtsregimes Solvency II, wodurch es für jedes Unternehmen genau eine offizielle Solvency-II-Kennzahl gibt. Berechnungen sogenannter „reiner Solvenzquoten“ ohne Berücksichtigung der Übergangsmaßnahmen sind vor diesem Hintergrund aufsichtsrechtlich keine validen Kennzahlen und können sogar zu Fehlinterpretationen führen.
Im Sinne eines kollektiven Verbraucherschutzes
Aus aktuarieller Sicht darf die Verwendung der Übergangsmaßnahmen nicht als Zeichen von Schwäche verstanden werden. Sie ist vielmehr das Ergebnis einer sorgfältigen Risikoanalyse und Unternehmensstrategie. Die bewusste Entscheidung für die Nutzung von Übergangsmaßnahmen ermöglicht eine laufende und ressourcenschonende Verbesserung der Risikotragfähigkeit, die dem langfristigen Charakter des Lebensversicherungsgeschäfts entspricht. Sie ist im Sinne eines kollektiven Verbraucherschutzes zu begrüßen. Ein prozyklisches Verhalten und die Umsetzung von Maßnahmen, zum Beispiel auf Seiten der Kapitalanlage, zum Nachteil der Versicherten können dadurch vermieden werden.
Bafin wird genau beobachten
Richtig ist aber auch, die deutschen Lebensversicherer mit ihren sozialpolitisch gewünschten langfristigen Garantien müssen bis spätestens 2032 alle Anforderungen von Solvency II ohne die Anwendung der Übergangsmaßnahmen erfüllen. Die Finanzaufsicht Bafin wird genau beobachten, wie gut die Versicherungen dieser existenziellen Aufgabe nachkommen und zweifellos gegebenenfalls im Rahmen ihrer Kompetenz regulierend eingreifen. Diese brancheninterne Hygiene ist aus aktuarieller Sicht auch absolut notwendig, um die langfristige Stabilität des gesamten Versicherungswesens auf dem heutigen hohen Niveau gerade im Interesse der Kundinnen und Kunden weiterhin sicherzustellen.
Über den Autor:
Herbert Schneidemann ist Vorstandsvorsitzender der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV). Schneidemann ist seit 2007 für die Bayerischen Beamten Versicherungen tätig, seit 2008 dort im Vorstand und hat seit Anfang 2012 den Vorsitz der Vorstände der Versicherungsgruppe inne. Dem DAV-Vorstand gehört Schneidemann seit 2016.
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