Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht und für Gewerblichen Rechtsschutz bei der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte. © Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte
  • Von Redaktion
  • 03.03.2021 um 18:33
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Die „spontane Anzeigeobliegenheit“ ist und bleibt in der Versicherungsbranche juristisch gesehen ein „heißes Eisen“. Denn in der Vermittler-Praxis stellt sich relativ häufig die Frage, was denn nun in einem Versicherungsantrag – unaufgefordert – anzugeben ist. Ein aktuelles Urteil hierzu, präsentiert der Hamburger Rechtsanwalt Björn Jöhnke in seinem Gastbeitrag.

Positive Kenntnis des Versicherungsnehmers erforderlich

Das Landgericht Offenburg begründet seine Entscheidung ferner damit, dass offenbleiben könne, ob es sich bei dem fetalen Alkoholsyndrom um eine psychische Erkrankung im Sinne der Gesundheitsfrage innerhalb des Antragformulars handele, weshalb der Versicherte zusätzlich in den letzten zwölf Monaten in ambulanter oder stationärer Behandlung gewesen sein müsste.

Denn für die Annahme einer Verletzung der Anzeigeobliegenheit müsse positive Kenntnis des Versicherungsnehmers von den gefahrerhöhenden Umständen bestehen. Eine positive Kenntnis des Klägers von einer psychischen Erkrankung zum Zeitpunkt der Erfüllung der Anzeigepflicht sei nach Ansicht der Kammer jedoch nicht ersichtlich. Bloße Verdachtsmomente in der Person des Klägers, insbesondere im Hinblick auf das diagnostizierte fetale Alkoholsyndrom beim jüngeren Bruder des versicherten Pflegekindes, reichten jedoch gerade nicht aus, so abschließend das Landgericht.

Kann die Entscheidung des LG Offenburg überzeugen?

Die Entscheidung des LG Offenburg kann im Ergebnis überzeugen. Das Gericht bezieht sich in seiner Entscheidung auf die Voraussetzungen des Rücktritts nach § 19 Abs. 2 VVG und lehnt eine Anzeigepflicht unter Beachtung des § 242 BGB zu Recht ab. Das Gericht betont den Umstand, dass im Rahmen des § 19 VVG angesichts der gesetzlichen Vorgaben auch über erkennbar gefahrerhebliche Umstände nicht ungefragt Angaben zu machen seien.

Außerdem stützt das LG Offenburg seine Entscheidung überzeugend auf das Erfordernis der positiven Kenntnis von gefahrerhöhenden Umständen im Rahmen einer Anzeigepflichtverletzung. Im Streitfall lehnte die Kammer das Vorliegen der positiven Kenntnis des klagenden Versicherungsnehmers demnach richtigerweise ab und führte weiter aus, dass bloße Verdachtsmomente in der Person des Klägers nicht genügen.

Auswirkungen auf die Vermittler-Praxis

Die Entscheidung des LG Offenburg weist eine sehr hohe Relevanz für die Versicherungsbranche an sich auf. Denn das Problem der „spontanen Anzeigeobliegenheit“ ist und bleibt – juristisch gesehen – ein „heißes Eisen“. In der Vermittler-Praxis stellt sich relativ häufig die Frage, was denn nun in einem Versicherungsantrag – unaufgefordert – anzugeben ist.

Denn den Versicherungsnehmer könnte auch eine Anzeigepflicht für gefahrerhebliche Umstände treffen, nach denen der Versicherer nicht in Textform gefragt hat (vgl. BGH v. 19.05.2011 – IV ZR 254/10 „Hausratversicherung“; OLG Hamm v. 27.02.2015 – 20 U 26/15 „Dread-Disease-Versicherung“; OLG Celle v. 09.11.2015 – 8 U 101/15 „Pflegetagegeldversicherung“; OLG Karlsruhe v. 20.04.2018 – 12 U 156/16 „Berufsunfähigkeitsversicherung“).

Damit bleibt festzuhalten, dass es unabdingbar ist, jeden Versicherungsfall anwaltlich überprüfen zu lassen und frühzeitig eine kompetente Beratung durch versierte Fachanwälte für Versicherungsrecht in Anspruch zu nehmen, um eine spätere Leistungsablehnung im Rahmen der vertraglich zugesicherten Ansprüche des Versicherten bestenfalls zu vermeiden.

Über den Autoren

Björn Thorben M. Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht, Gewerblichen Rechtsschutz & IT-Recht, Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte.

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