- Von Lorenz Klein
- 18.06.2018 um 18:00
Solche Sätze sind es, bei denen Versicherungsvermittler vorsorglich in eine Tüte atmen sollten: „Oft sind Zahnzusatzversicherungen nur Wetten mit dem Versicherer. Und die gewinnt der Versicherer immer“, zitiert das Jugendportal Bento den Versicherungsberater Detlef Lülsdorf.
Viele junge Leute haben keinen Plan für die Altersvorsorge
Diese Versicherungen sind für Berufsstarter sinnvoll
„Wunderbare Chance, wenn wir weniger sind“
Nein, der Versicherer „gewinnt“ – um im Bild zu bleiben – keineswegs immer, dürfte sich der ein oder andere Vermittler an dieser Stelle denken (und dabei vielleicht an die zurückliegenden teils deutlichen Prämienanpassungen in der Zahnzusatzversicherung denken, die dieser Aussage widersprechen). Klar, zur Wahrheit gehört auch, dass der Versicherer die „Wette mit dem Kunden“ sehr, sehr häufig „gewinnt“. So weit so normal. So funktioniert nun mal das Geschäftsmodell – wobei: angesichts vielerorts tiefroter Schaden-Kosten-Quoten in der Sachversicherung gelingt das auch nicht allen Versicherern. Doch wohin führen solch statistische Betrachtungen im Bento-Beitrag, wenn man als junger Mensch eben doch einmal vor einem finanziellen Scherbenhaufen steht?
Hier befördert der Artikel nur bedingt ein risikobewusstes Handeln, die private Haftpflichtversicherung bildet da fast schon eine Ausnahme („Haftpflicht muss sein, oder?“). Der Tenor liest sich eher so: Aber hey, bislang lief’s doch super! Diesen Eindruck verstärken diverse „Wie wahrscheinlich ist schon“-Fragen, die im Text eingestreut sind. So wird Versicherungsberater Lülsdorf beispielsweise in roten Lettern mit dieser Aussage zitiert: „Wie wahrscheinlich ist ein Totalschaden?“. Schon klar, diese Frage bezieht sich „nur“ auf die Hausratversicherung, nicht auf Versicherungen, die Leib und Leben absichern – trotzdem hätte es dem Text an dieser Stelle gutgetan, wenn er nicht nur das Einbruchrisiko als Bedrohung für das eigene Hab und Gut genannt hätte, sondern vielleicht auch mögliche Schäden durch sagen wir: Feuer und Wasser.
„Versicherer entwerfen Horrorszenarien von unserer düsteren Zukunft“
Natürlich wäre Panikmache genauso fehl am Platze, aber die Lässigkeit, mit der das Thema Versicherungsschutz im Beitrag abgehandelt wird, irritiert bisweilen: „Teurer Zahnersatz, neue Brille, Chefarzt-Behandlung im Krankenhaus: Alles Dinge, die normale Krankenkassen nicht übernehmen. Eine Zusatzversicherung muss trotzdem nicht sein“, heißt es da beispielsweise – und weiter: „Wenn wir nicht genetisch bedingt ganz schlechte Zähne haben: Wie hoch ist die Gefahr, dass wir für einen vierstelligen Betrag Zahnersatz brauchen?“ Nun ja, manchmal kann sich für junge Leute auch ein hoher dreistelliger Betrag als (zu) hohe finanzielle Hürde erweisen.
Beim Lesen dieser Aussagen dürften jedenfalls viele Bento-Leser innerlich nicken und sich sagen: „Stimmt eigentlich, kostet ja alles nur viel Geld“.
Kommen wir zum nächsten Fragezeichen-Satz – diesmal zur Berufsunfähigkeitsversicherung: „Viele Versicherer empfehlen, das eigene Netto-Einkommen zu versichern“, wird Versicherungsberater Lülsdorf zitiert. Aber hier sei die entscheidende Frage, so Lülsdorf: „Brauche ich diese Summe wirklich?“ Wenn man weiterhin 2.000 Euro netto verdienen wolle, sei die Prämie entsprechend hoch, berichtet Bento.
„Fondsgebundene Versicherungen gehen in der Regel echt ins Geld“
Und auch die Altersvorsorge darf zum Schluss noch drankommen: „Das ist noch echt weit weg“, steht da tatsächlich. Müsse man „jetzt schon Versicherungen abschließen, um als Rentner ein gutes Leben zu haben?“, fragt die fragende Reporterin. Die Antwort von Berater Lülsdorf: „Von einer privaten Rentenversicherung würde ich aktuell entschieden abraten“, so gebe es aktuell „meist keine oder nur eine sehr geringe Verzinsung, eine Versicherung lohnt sich da einfach nicht“. Das junge Menschen später einmal mit einer höheren Lebenserwartung als ihre Eltern zu rechnen haben, Fachleute sprechen auch von „Langlebigkeitsrisiko“ – das in dieser Form nur von einer Versicherung abgedeckt werden kann – findet hier keine Erwähnung.
Der Ton bleibt gelassen, heiter: „Auch wenn es sicher nicht schadet, schon mal an die Zukunft zu denken und was zu sparen: Es muss nicht gleich der teure Vertrag sein – vor allem weil vor allem fondsgebundene Versicherungen in der Regel echt ins Geld gehen.“
Und abschließend kommt dann noch eine kleine Warnung vor dem allzu verkaufstüchtigen Versicherungskaufmann: „Die Versicherer entwerfen Horrorszenarien von unserer düsteren Zukunft – und schon haben wir den Kuli zur Unterschrift in der Hand.“
Zwischen versöhnlich und vertröstend kommt schließlich der Schluss daher: „Wer sich damit besser fühlt, kann es natürlich machen. Aber wir sollten nicht aus Panik bei jedem Angebot zuschlagen.“ Da kann man eigentlich nur eine ruhige Hand beim Kuli halten wünschen.
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