Durch Impfungen wird das Immunsystem traniert. © Panthermedia
  • Von Joachim Haid
  • 08.08.2019 um 17:04
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Nach dem Sechsteiler über Ernährungsmythen folgt nun ein Dreiteiler über das menschliche Immunsystem. Wie ist es aufgebaut? Wie funktioniert es? Wie kann man es unterstützen, was schädigt es? Welche Zusammenhänge gibt es zwischen Lifestyle, Ernährung, Immunsystem, Demenz und Parkinson? Hier erfahren Sie es.

Von bösen Geistern bis zur Entdeckung der Bakterien

In frühen Zeiten gingen die Menschen noch davon aus, dass ein kranker Mensch von bösen Geistern besessen war. Berücksichtigt man beispielsweise die aggressive Verhaltensänderung nach einer Tollwutinfektion, ist das durchaus nachvollziehbar.

In der Antike galten schlechte Körpersäfte als Ursache von Erkrankungen. Auf den bekannten griechischen Arzt Hippokrates geht die Miasmenlehre zurück. Man glaubte, das krankmachende Stoffe in der Luft, die Miasmen (griechisch miasma = übler Dunst / Verunreinigung), Auslöser für Krankheiten waren. Der Holländer Antoni van Leeuwenhoek war es, der mit einem selbst gebauten Mikroskop Ende des 17. Jahrhunderts zum ersten Mal Bakterien in seinem Zahnbelag und Speichel sah. Er nannte sie damals noch Animalcules (französisch für kleine Tierchen). Es sollte bis zum Ende des 19. Jahrhunderts dauern, bis Robert Koch (1876) anhand des Milzbranderregers den Nachweis erbrachte, dass tatsächlich Mikroorganismen der Auslöser für Krankheiten sein können.

Nestschutz: Alles beginnt im Mutterleib

Für das Immunsystems einer Frau, deren Eizelle gerade durch ein Spermium befruchtet wurde und sich nun in der Gebärmutter beginnt einzunisten und zu wachsen, handelt es sich bei dieser Eizelle um einen fremden Eindringling. Diesen muss es schnellstens wieder loswerden. Gäbe es keine regulatorischen T-Zellen, so würde wohl keine Schwangerschaft erfolgreich verlaufen und die Menschheit wäre ausgestorben

Diese speziellen Immunzellen können wir uns wie Mediatoren vorstellen. Sie sorgen dafür, dass das Immunsystem nicht wie wild alles und jeden angreift, sondern über eine gewisse Toleranz verfügt. Das Immunsystem des heranwachsenden Menschen beginnt sich bereits im Mutterleib zu entwickeln. Die Nabelschnur versorgt den Embryo ab der 8. Schwangerschaftswoche nicht nur mit Nährstoffen und Sauerstoff, sondern lässt nun auch Antikörper der Mutter passieren.

Hierbei handelt es sich um Eiweißmoleküle, die Erreger identifizieren können, mit denen die Mutter bereits Kontakt hatte. Evolutionär ist das sehr sinnvoll. Denn das Kind wird in der Umwelt leben, in der auch seine Mutter lebt. Da sie dort in Kontakt mit den Keimen kam, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass auch der Säugling mit diesen in Berührung kommt. Durch die Antikörper der Mutter verfügt es damit über eine Art geliehenes Immunsystem. Dies wird Nestschutz genannt. Heute gilt das auch für Antikörper, die sich durch Impfung bei der Mutter entwickelt haben. In den ersten Monaten nach der Geburt werden unsere Kinder so vor vielen Krankheiten geschützt, wie beispielsweise Masern oder Röteln.

Jedoch funktioniert das leider nicht bei allen Erregern. Der deutsche Arzt Michael Hauch schreibt dazu in seinem Buch „Ihr unbekanntes Superorgan“:

„Gegen andere Krankheiten, wie zum Beispiel Windpocken, Herpes oder Keuchhusten, wirkt dieser sogenannte Nestschutz nicht. Auch bei Krankheiten wie Grippe, wo sich die Viren von Saison zu Saison ändern, bei Kinderlähmung, Diphterie oder Tetanus kann man sich auf den Nestschutz nicht verlassen.“

Bis vor wenigen Jahren ging man davon aus, dass die Fruchtblase ein steriler Ort sei und der erste Kontakt mit Bakterien im Geburtskanal stattfindet. Neueste Forschungsergebnisse legen jedoch die Vermutung nahe, dass Keime in der Plazenta durch die Nabelschnur gelangen können und so das Immunsystem des Embryos bereits zu trainieren beginnen.

Kurz vor der Entbindung verändert sich die vaginale Keimbesiedlung. So kommen dort nun auch Bakterien vor, die sonst nur im Darm der Mutter vorhanden sind. Bei der Geburt passiert der Nachwuchs den Geburtskanal. Dabei kommen Augen, Schleimhäute, Haut, Nase und Mund unweigerlich in Kontakt mit vaginalen Sekreten. Das Kind erhält so seine bakterielle Erstbesiedlung, welche es vor krankmachenden Keimen schützt.

Das gleiche gilt, wenn das Kind gestillt wird. Auch auf der Brust der Mutter befinden sich Keime, die für das Immunsystem des Säuglings wichtig sind. Kaiserschnitt-Kinder erhalten diese erste natürliche Impfung nicht. Es ist eine dramatische Entwicklung, dass in manchen Regionen der Welt die Kaiserschnittgeburten ohne medizinische Notwendigkeit stark steigen und immer weniger Mütter stillen. Mehr dazu lesen Sie in den Teilen II und III dieser Reihe.

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Joachim Haid

Joachim Haid ist Gründer des Gesundheitsprogramms PaleoMental®, zudem Gesundheitscoach und Heilpraktiker in Ausbildung.

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